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XVIII Feuer und Nebel

Bolitho stand an den Heckfenstern der Black Prince und lauschte den vertrauten Geräuschen des Segelsetzens. Die Fregatte Tybalt draußen nahm gerade wieder Fahrt auf, um in der Nore neue Befehle einzuholen. Ihr Kommandant war sicher froh, seinen hohen Passagier ohne Verspätung und Zwischenfall bei seinem Geschwader abgeliefert zu haben und jetzt wieder sein eigener Herr zu sein.

Bolitho dachte an den Abschied im Haus an der Themse. Eigentlich hatte Catherine ihn nach Chatham begleiten wollen, aber zugestimmt, als er sie bat:»Fahre nach Falmouth, Kate, dort bist du unter Freunden. «Noch immer sah er sie mit ihren großen Augen auf der Treppe des Hauses stehen.

Bolitho hörte, wie Ozzard sich in der Schlafkajüte zu schaffen machte. Er schien der einzige zu sein, der sich freute, wieder an Bord zu leben. Selbst Allday war ungewöhnlich niedergeschlagen. Er hatte erzählt, daß sein Sohn, Bootssteurer auf der Anemone, den Dienst in der Navy quittieren wollte, weil er genug hatte vom Krieg. Er liebe zwar die See, aber der könne er auch anders dienen, zum Beispiel als Fischer. Er wollte einmal ein eigenes Boot besitzen und heiraten — jedenfalls nicht so leben wie sein Vater. Der letzte Satz hatte Allday besonders verletzt.»Als er mir sagte, daß Leutnant Adam Bolitho einverstanden sei, hatte ich verloren«, berichtete er.

Es klopfte, und Keen trat ein. Bolitho musterte ihn neugierig. Keen sah entspannt aus, selbst die vielen Pflichten eines Flaggkapitäns schienen ihn nicht mehr zu belasten. Bolitho hatte ihm einen Brief von Zenoria mitgebracht, den ihm Catherine zu treuen Händen übergeben hatte. Er trat an den Tisch und sagte zu Keen:»Sie können all diese Papiere hier noch genauer studieren, aber im wesentlichen geht es darum, daß sich eine große Flotte, einschließlich einiger Schiffe vom Kap, in Norfolk vor Great Yarmouth gesammelt hat, dem größten Ankerplatz, der gleichzeitig nahe genug an Dänemark liegt. Admiral Gambier hat seine Flagge auf der Prince of Wales gesetzt und den Oberbefehl über die fünfundzwanzig Linienschiffe übernommen. Ursprünglich wollte Gambier ja die Black Prince als sein Flaggschiff, aber ihre Ausrüstung dauerte ihm zu lange.»

Herrick fiel ihm wieder ein.»Dort sammeln sich auch zahlreiche Versorger und Truppentransporter. Einige haben flachgehende Leichter an Bord, um Artillerie und Truppen an Land zu setzen für eine Belagerung. Es wird die größte kombinierte Operation, seit Wolfe 1759 Quebec eroberte. «Er dachte an den General am Kap und fügte hinzu:»Lord Cathcart hat das Oberkommando über die Landstreitkräfte. Ihm unterstellt sind zehn Generalmajore, einer davon ist Sir Arthur Wellesley. Ich glaube, Cathcart und viele andere sehen diesen Angriff als ersten Schritt zu einer großangelegten Landung auf dem Festland.»

«Dann möge Gott den Dänen helfen!«antwortete Keen ernst.

Bolitho schlüpfte aus seiner schweren Uniformjacke und warf sie auf einen Stuhl.»Wir bleiben hier, bis Gambiers Flotte durchs Skagerrak gesegelt ist, und sorgen dafür, daß die Franzosen nicht den Nachschub angreifen. Das würde die Truppen in größte Schwierigkeiten bringen. Dann folgen wir als Nachhut.»

«Kapitän Crowfoot ist mit seiner Glorious immer noch bei unserer zweiten Division im Norden.»

«Ich weiß. «Bolitho rieb sich das Kinn.»Signalisieren Sie der Anemone, sie soll zum Geschwader aufschließen und Crowfoot meine Befehle überbringen. Ich halte es für besser, wenn wir alle zusammenbleiben, bis wir wissen, was hier vor sich geht.»

Als Keen schon gehen wollte, frage Bolitho noch:»Gibt's private Neuigkeiten, Val?»

Keen strahlte.»Der Brief von Zenoria, Sir… Wir haben jetzt das Hochzeitsdatum festgelegt. Lady Catherine wird alles arrangieren. Die beiden haben sich gut verstanden, sie hat Zenoria sogar nach Falmouth eingeladen!»

Bolitho lächelte und drückte Keen fest die Hand.»Ich freue mich sehr. Niemand hat dieses Glück so verdient wie Sie. »l

Als Keen gegangen war, um die Anemone zum Geschwader zurückrufen zu lassen, überlegte Bolitho, was Catherine ihm von dem Treffen mit Zenoria erzählt hatte. Es klang so, als ob Zenorias Onkel, der kürzlich aus Indien zurückgekehrt war, etwas gegen ihre

Heirat hatte. Wollte er die schöne junge Frau mit den Mondscheinaugen vielleicht selber ehelichen?

Dann widmete er sich wieder den Dokumenten, die er aus London mitgebracht hatte. Er hatte die Operationspläne in einer bleibeschwerten Tasche transportiert. Hätte ein Gegner die Tybalt abgefangen und besiegt, wäre die Tasche über Bord geflogen und versunken, statt dem Feind in die Hände zu fallen.

Bolitho sah die Realität hinter den schön geschriebenen Dokumenten: Zwanzigtausend Soldaten mit Kanonen und Mörsern würden in Dänemark landen, beschützt von kleinen Kanonenbooten und bewaffneten Briggs. Sie würden von Helsingör nach Kopenhagen vorrücken und diese schöne Stadt, sollten die Dänen sich auf eine Belagerung einlassen, mit ihren spitzen grünen Türmen in Trümmer legen. Das schien Bolitho ein Irrsinn zu sein. Die Dänen waren nicht kriegerisch, sie wollten lediglich in Ruhe gelassen werden. Er klappte die Mappe zu. Trotzdem gab es keine andere Möglichkeit.

Keen kam zurück und meldete:»Die Anemone wird noch vor dem Abend bei uns eintreffen, Sir Richard.»

Während sie ihre Taktik und den genauen Wortlaut der dazu nötigen Befehle besprachen, erschien Vincent, der Midshipman der Wache, und meldete, die Bramsegel der Anemone wären bereits in

Sicht.

«Wie haben Sie sich eingelebt?«fragte Bolitho seinen Neffen. Dann sah er den Bluterguß auf seiner Backe und den Schorf um seinen Mund.»Recht gut, Sir Richard«, antwortete Vincent wortkarg. Als er gegangen war, fragte Bolitho:»Er hatte wohl mit jemandem eine Auseinandersetzung, Val?»

Keen hob die Schultern.»Man kann nicht immer alle jungen Herren im Auge behalten.»

Bolitho merkte, daß er Keen den Rücken stärken mußte.»Vincent ist ein Tyrann, Val, er unterdrückt, wen er kann, und hat ein übersteigertes Selbstbewußtsein. Ich hoffe, Sie behandeln ihn nicht anders als den Rest, bloß weil er mit mir verwandt ist. Außerdem fürchte ich, aus dem jungen Mann wird nie ein Leutnant!»

Keen war überrascht über soviel Offenheit.»Es gab einen Kampf, Sir«, räumte er ein.»Zwei Midshipmen hatten einen Streit untereinander auszutragen. Der andere war Midshipman Segrave.»

«Das hätte ich mir denken können«, nickte Bolitho.»Niemand hat mehr Grund als er, sich gegen so einen Westentaschentyrannen zu wehren.»

Die Laternen brannten schon, als die Anemone in Lee der Black Prince beidrehte. Yovell versiegelte gerade die Befehle für Kapitän Crowfoot, als Keen Adam Bolitho in die Kajüte des Vizeadmirals führte. Dieser faßte kurz zusammen, was er mit Keen ausführlich besprochen hatte.

«Ich muß wissen, ob die Franzosen versuchen, unseren Nachschub anzugreifen. Unser Schoner wird am Morgen der Zest und der Mistral entsprechende Befehle bringen.»

«Was sagt man in London zu dem großen feindlichen Linienschiff, das hier gesichtet wurde?«wollte Adam wissen.

«Sie glauben nicht daran«, antwortete Keen.

«Ich glaube es aber«, murmelte Adam.

«Vielleicht hat sich Leutnant Evans ja wirklich geirrt, obwohl ich ihm traue. «Trotz seiner Vorliebe für Rum, dachte Bolitho.

Adam erhob sich.»Wenn es zum Gefecht kommt, paß gut auf dich auf, Onkel. Wir brauchen dich noch, wir alle!»

Bolitho umarmte seinen Neffen, und Keen ging, um Adams Boot längsseits rufen zu lassen.

«Irgend etwas bedrückt dich, Adam«, sagte Bolitho, als sie allein waren.»Du führst zwar ein Schiff des Königs, aber für mich bist du immer noch wie ein Sohn.»

Adam lächelte, sah aber dabei nicht glücklicher aus.»Es ist nichts, Onkel.»

Bolitho beharrte:»Sag es mir, dann werde ich versuchen, dir zu helfen.»