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«Sieht nicht gut aus, Sir Richard. «Allday schob sich den Hut in die Stirn.

Weit weg hörte man leichtes Artilleriefeuer — englisches oder holländisches? Es klang ungefährlich und fern, aber die zugedeckten Toten am Wegesrand, die hier begraben werden sollten, redeten eine deutliche Sprache.

Der Hauptmann hielt an und deutete auf eine Reihe Zelte.»Hier liegt meine Kompanie, Sir Richard. Der General ist nicht da, wird aber sicher bald zurückkehren.»

Irgendwo brüllte ein Mann vor Schmerzen, wahrscheinlich im Lazarettzelt. Die Invasion ging wirklich ziemlich langsam voran, das Lazarett hätte längst hinter die Hügel verlegt sein müssen.

Der Hauptmann ließ Bolitho in ein Zelt eintreten, dessen Boden Teppiche bedeckten. Die Ordonnanzen hatten sicher lange suchen müssen, bis sie ein so großes ebenes Stück Boden entdeckt hatten. Ein Oberst mit sorgenvollem Gesicht erhob sich müde von einem Feldstuhl und verneigte sich.

«Ich kommandiere das 61. Regiment, Sir Richard. «Er schüttelte Bolithos Hand.»Wir wußten, daß Sie hier irgendwo kreuzen, aber nicht, daß Sie mitten unter uns sind. Leider hatten wir keine Zeit, Sie gebührend zu empfangen.»

Bolitho entdeckte oben im Zelt ein Loch, und der Oberst folgte seinem Blick.»Ein Scharfschütze schlich gestern abend durch unsere Linien. Er versprach sich hier wohl ein wertvolles Ziel. «Er nickte einer Ordonnanz zu, die mit gefüllten Gläsern erschienen war.»Das wird Ihren Durst stillen, während wir auf den General warten.»

«Hatte der Gegner mit uns gerechnet?»

«Er hat, Sir Richard. Und alle Vorteile sind auf seiner Seite. Aber er kämpft nicht soldatisch. Der Scharfschütze zum Beispiel trug keine Uniform, sondern Lumpen. Er tötete zwei meiner Männer, ehe wir ihn erwischten. Das ist nicht ehrenhaft.»

«Ich glaub', ich hab' den Mann draußen an einem Baum hängen sehen, Sir Richard«, bemerkte Allday trocken.

Der Oberst starrte ihn an, als sähe er ihn zum ersten Mal.»Wer sind denn Sie?»

«Meine Begleitung, Oberst«, sagte Bolitho knapp. Er sah, wie Allday sich ein Glas Wein vom Tablett nahm. Es schien in seiner Faust zu schrumpfen.

Der Oberst trat an einen Tisch voller Karten.

«Der Feind zieht sich zurück, wenn wir ihm nachsetzen. Er stellt sich nicht zum Kampf. Deshalb dauert alles viel zu lange. «Er sah Bolitho scharf an.»Und wenn Sie uns jetzt sagen, daß wir keinen Nachschub und keine Verstärkung bekommen, dann werden wir Kapstadt erst in ein paar Monaten statt in wenigen Wochen einnehmen.»

Hufe klapperten draußen, Kommandos wurden gerufen, Präsentiergriffe knallten. Der General betrat das Zelt, warf Hut und Handschuhe auf einen Stuhl. Er war ein zierlicher Mann mit durchbohrenden blauen Augen. Offenbar einer, der von seinen Untergebenen nur das forderte, was er selber zu leisten bereit war.

Sir David gab einige Befehle und verlangte dann, daß man sie allein ließ. Allday, der inzwischen drei Gläser Wein intus hatte, murmelte:»Ich bleibe in Hörweite, Sir Richard.»

Als die Zeltklappe fiel, murmelte der General:»Ein ungewöhnlicher Kerl…»

«Er hat mir schon einige Male das Leben gerettet und meinen Verstand noch öfter.»

Der Blick des Generals wurde etwas freundlicher.»Von seiner Sorte könnte ich hier ein paar tausend gebrauchen. «Das Lächeln verschwand wieder.»Die Landung hat geklappt, Commodore Popham hat wahre Wunder vollbracht. Und bis auf die unvermeidlichen Ausfälle lief zunächst alles gut. «Ernst sah er Bolitho an.»Aber jetzt sagt man mir, daß ich keine Verstärkungen erhalte. Ja, Sie wollen sogar noch einige Fregatten abziehen!»

Bolitho mußte an seinen Freund Thomas Herrick denken. Auch dessen Augen strahlten so blau, blickten so ernst und verläßlich.

«Was ich will, spielt keine Rolle, Sir David«, sagte er knapp.»Der König hat die Befehle unterschrieben, nicht ich.»

«Ich hätte trotzdem gern gewußt, wer ihm die Hand dabei führte.»

«Davon habe ich nichts gehört«, antwortete Bolitho. Der General lächelte gequält.»Das hängt auch keiner an die große Glocke.»

Wie zwei Duellanten, die sich plötzlich eines Besseren besannen, traten sie an den Kartentisch, und Bolitho legte seine Karte über alle anderen.»Sie sind Soldat, ich bin Seemann. Aber ich weiß, wie wichtig der Nachschub für die kämpfende Truppe ist. Der Feind erwartet bestimmt Verstärkung. Wenn die eintrifft, ehe Sie Kapstadt einnehmen können, Sir David — welche Chance für einen Sieg haben Sie dann noch?»

Der General schwieg lange, studierte die Karte und die Notizen, die an sie geklammert waren. Schließlich sagte er mit belegter Stimme:»Dann haben wir kaum noch Chancen. «Etwas von der früheren Schärfe kehrte in seinen Ton zurück:»Aber es ist die verdammte Pflicht der Marine, genau das zu verhindern. Blockieren Sie den Hafen, wehren Sie jeden Eindringling ab!«Das hörte sich fast wie eine Anklage an.

Bolitho dachte an die Handvoll Schiffe unter seinem Kommando. Jeder Kommandant wußte, was er zu tun hatte. Die drei Fregatten würden vor dem Kap kreuzen und das umliegende Seegebiet absuchen. Die beiden Schoner hatten den Kontakt zwischen ihnen und Kommodore Warren zu halten. Trotzdem konnten bei Dunkelheit feindliche Schiffe leicht zwischen ihnen durchbrechen und in den Schutz der Küstenbatterien gelangen. Dann blieben ihre Chancen so mäßig wie bisher, und ein Eindringen in die Bucht würde bestenfalls zu einem Waffenstillstand führen. Den schlimmsten Ausgang aber wollte sich Bolitho gar nicht vorstellen: daß die britischen Truppen sich geschlagen zurückziehen mußten, weil sie keinen Nachschub bekamen und der Feind hinhaltenden Widerstand leistete. Diese Niederlage würde durch ganz Europa schallen. Der grandiose Sieg bei Trafalgar war bestimmt schnell vergessen, wenn das Heer Kapstadt nicht einnehmen konnte. Die unfreiwilligen Alliierten Napoleons würden dann enger an ihn gefesselt werden, und der Widerstandswille in England konnte bröckeln.

«Keiner von uns hat sich nach diesem Auftrag gesehnt, Sir David.»

Aber der General wandte sich dem jungen Hauptmann zu, der plötzlich im Zelteingang stand.»Ja?»

«Eine Meldung von Major Browning, Sir. Er möchte seine Artillerie verlegen.»

«Er soll nichts tun, bis ich dort bin. Und lassen Sie mein Pferd holen. «Dann wandte er sich wieder Bolitho zu.»Ihre Nachricht wirft uns zurück, trotzdem verlasse ich mich auf Sie. Nicht weil ich an meinen Offizieren und Männern zweifle, sondern weil ich keine andere Wahl habe. Man wird die Lage am Kap genau beobachten. Wenn hier alles klappt, wird es auch in Europa gegen Napoleon vorangehen. Vergessen wir nicht, ein Sieg ist trotz aller Triumphe auf See erst errungen, wenn der Infanterist das feindliche Land besetzt hat.»

Stimmen erklangen draußen und der müde Hufschlag eines Pferdes, das zu einem neuen Gewaltritt gesattelt wurde. Der General leerte ein Glas Brandy und griff nach Hut und Handschuhen.»Sie erinnern mich an Nelson«, sagte er spöttisch.»Der war ein guter Seemann und hielt sich auch für einen guten Infanteriebefehlshaber.»

Kühl antwortete Bolitho:»Die Marine hat Bastia erobert und Calvi eingenommen, nicht die Infanterie.»

«Gut pariert. «Der General verließ das Zelt. Bolitho folgte ihm. Soldaten marschierten vorbei und wirbelten roten Staub auf. Der General drehte sich um.»Schauen Sie sich diese Leute an. Wofür werden sie sterben müssen?»

Bolitho sah Allday unten am Strand das Beiboot heranwinken.»Wenn Sie mich besser kennten, würden Sie mir eine solche Frage nicht stellen.»

Die blauen Augen des Generals waren kalt wie Eis, als er in den Sattel stieg.»Aber ich kenne Sie nicht, habe nur von Ihnen gehört, Sir Richard. Und ich frage nicht, als Soldat bitte ich Sie um Ihre

Hilfe!»

Der Oberst begleitete Bolitho den Strand hinunter zum Beiboot.»So habe ich den General noch nie erlebt, Sir Richard«, sagte er. Dann salutierte er zum Abschied.»Ich hoffe, wir sehen uns wieder.»

Bolitho musterte den flach abfallenden Strand.»Entweder in Kapstadt oder in der Hölle.»