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«Rufen Sie den Steuermann, Thomas. Wir werden einen neuen Kurs abstecken und beschließen, was wir unternehmen sollen.»

Herrick sah ihm nach, wie er mit versonnenem Gesicht zur Kampanje schritt. Er sagte zu Keen:»Achten Sie auf Ihre Wache. Spätestens in einer Stunde brauchen wir alle Mann. «Keen antwortete nicht. Auch er erinnerte sich an Viola Raymond, sie hatte ihn gepflegt, nachdem er verwundet an Land gebracht worden war. Wie manchem anderen war ihm ihre Beziehung zum Kommandanten bekannt und auch, was Herrick davon hielt. Keen mochte sie beide, besonders aber Bolitho. Wenn der Viola Raymond suchen und damit neue Gefahren heraufbeschwören wollte, so war das seine Angelegenheit. Er beobachtete Herricks besorgtes Gesicht. Oder etwa nicht?

In dem kleinen Kartenraum unter der Kampanje, neben der Steuermannskajüte, beugte Bolitho sich über den Tisch und sah zu, wie Lakey sich mit Zirkel und Lineal zu schaffen machte.

«Wenn der Wind anhält, morgen Mittag. «Lakey blickte auf, sein hageres Gesicht hob sich nur als Silhouette vor einem offenen Bullauge ab.

Dahinter schimmerte das Meer schmerzhaft in den Augen. Wieviel schlimmer mußte es auf einem großen, mit Deportierten überladenen Frachter sein. Wenn die Eurotas irgendwo auf Grund saß, konnte ihre Lage schnell wirklich kritisch werden. Der Wunsch zu entkommen, für die geringste Uberlebenschance frei zu sein, konnte Menschen zum Äußersten treiben.

>Wenn der Wind anhält.< Das muß sich jedem Seeoffizier mit der Zeit ins Herz eingraben, dachte Bolitho. Er sah Lakey nachdenklich an.»Dann bleibt es dabei. Hundertvierzig Meilen bis Tongatapu. Wenn wir nach der Kursänderung fünf Knoten schaffen, halte ich Ihre Schätzung für angemessen.»

Lakey hob die Schultern. Lob oder Kritik berührten ihn nur selten.»Mir wird wohler sein, wenn ich das Mittagsbesteck gesehen habe, Sir. «Bolitho lächelte.»Also gut.»

Er drehte sich auf dem Absatz um und eilte aufs Achterdeck zurück, denn er wußte, Lakey würde bereit sein, sobald er benötigt wurde.

«Also, Thomas, wir wenden zur halben Stunde und gehen auf Nordwestkurs. Das gibt uns Seeraum, wenn wir uns den Riffen nähern. Außerdem sind wir dann in besserer Position, um eine andere Insel anzulaufen, sollte der Wind umspringen.»

Als ein Schiffsjunge das Halbstundenglas neben dem Kompaß umdrehte, hatten die Matrosen schon die Brassen besetzt und holten keuchend die großen Rahen der Fregatte herum.

Die Tempest gehorchte dem Ruder und wälzte sich schwerfällig auf den anderen Bug. Bolitho verfolgte genau, wie lange das Manöver dauerte. Trotz des schwachen Windes hatte er jeden verfügbaren Mann an Deck und in der Takelage eingesetzt, denn er hielt es für töricht, bei Routinemanövern Nachlässigkeiten und Flüchtigkeit zuzulassen. In der Schlacht, wenn der größte Teil der Besatzung an den Geschützen und mit Reparaturen beschäftigt war, mußte das Schiff von viel weniger Leuten bedient werden. Dennoch hatte die Tempest soeben eher mit der gelassenen Würde eines Linienschiffs als mit der Behendigkeit einer Fregatte reagiert. Stets war die Gefahr groß, selbstzufrieden zu werden und den knochenbrechenden und undankbaren Geschütz- und Segel-drill unter Gefechtsbedingungen zu verschieben. Hier draußen, wo man manchmal monatelang kein anderes Kriegsschiff zu Gesicht bekam, fiel der nötige Exerziereifer schwer, besonders wenn man selbst ihn nur zu gern vergaß. Bolitho verfügte über eigene bittere Erfahrung. Als Kommandant der Undine war er seinerzeit zum offenen Kampf mit einer starken französischen Fregatte gezwungen worden, der Argus unter dem Befehl von Le Chaumareys, einem der erfahrensten und fähigsten Kommandanten des Admirals Suffren. Le Chaumareys verfügte über einen Kaperbrief des Eingeborenenherrschers Muljadi, war aber im besten Sinn des Wortes französischer Offizier geblieben. Er hatte Bolitho sogar davor gewarnt, es zur gleichen Zeit mit der Argus, mit Muljadis Piratenflotte und der lähmenden Inkompetenz der Regierungen am anderen Ende der Welt aufzunehmen. Doch konnte gerade die Machtprobe zwischen ihren beiden Schiffen über das Geschick eines großen Teils Indiens entscheiden.

Wie jetzt auf der Tempest, war Bolitho mit einer bunt zusammengewürfelten Besatzung gesegnet, und alles, was er dem Franzosen und seiner gutgedrillten Mannschaft entgegenzusetzen hatte, waren Jugend und frische Ideen. Le Chaumareys hatte seine Heimat schon vor Jahren verlassen. Sein jetziges Kommando unter einer fremden Flagge sollte sein letztes sein, ehe er sich ehrenvoll nach seinem geliebten Frankreich zurückzog. Doch es waren gerade seine Vorliebe für Routine, sein Vertrauen zu bewährten Methoden und Manövern gewesen, die ihn den Sieg und das Leben gekostet hatten.[11]

Bolitho fragte sich, wie lange es dauern würde, bis er zu selbstzufrieden oder zu erschöpft sein würde, einer wirklichen Herausforderung entgegenzutreten. Oder ob er auch künftig die Schwächen würde erkennen können, wenn kein anderer da war, um ihn darauf hinzuweisen.»Kurs Nordwest, Sir. Voll und bei. «Herrick wischte sich mit dem Handgelenk über die Stirn.»Und auf diesem Bug ist es auch nicht kühler.»

Bolitho nahm das Teleskop von Midshipman Swift entgegen und richtete es nach vorn. Er blickte durch die straffen Wanten und Stage, über die goldene Schulter der Galionsfigur hinweg, und weiter ins Nichts.»Gut. Schicken Sie die Freiwache unter Deck. «Er hielt Herrick zurück, der schon davoneilen wollte.»Wie ich hörte, wünscht Mr. Borlase, daß Sie heute einen Seemann bestrafen?»

Herrick sah ihn ernst an.»Ja, Sir: Peterson. Wegen Unbotmäßigkeit. Er beschimpfte einen Bootsmannsmaat.«»Verstehe. Dann verwarnen Sie den Mann selbst, Thomas. Ihn für eine solche Geringfügigkeit auszupeitschen, würde nichts besser machen. Und dann sprechen Sie mit Mr. Borlase. Ich dulde nicht daß er oder ein anderer Offizier in dieser Weise seine Verantwortung von sich schiebt. Er war Wachführer und hätte den Fall sofort bereinigen müssen. «Herrick sah Bolitho nach, der das Deck verließ, und verfluchte sich, daß er die Sache nicht früher bereinigt hatte. Daß er es Borlase hatte durchgehen lassen, wie schon so oft. Wenn man müde und von der Sonne ausgedörrt war, schien es oft einfacher, etwas selbst zu tun, als den üblichen Dienstweg einzuhalten.

Das ist auch der Grund, weshalb ich es nie weiter als bis zum Leutnant bringen werde, dachte er. Während Herrick in Luv auf und ab ging, wurde er fast, ständig von Keen und Midshipman Swift beobachtet. Vom Midshipman auf der Undine zum Dritten Offizier der Tempest: Als Keen befördert worden war und die Offiziersprüfung bestanden hatte, war er überzeugt gewesen, daß nichts ihn je stolzer machen würde. Doch nun beobachtete er Herrick und fragte sich nicht zum erstenmal, wann der nächste Schritt in seiner Karriere kommen würde. Mancher Leutnant schien automatisch zum Kapitän zu avancieren und unaufhaltsam höher zu steigen — wie ein Komet. Andere blieben Jahr für Jahr auf der gleichen Stufe, bis die Marine sie ausstieß wie Strandgut. Wenn er doch im Krieg schon alt genug gewesen wäre, um unter Männern wie Bolitho und Herrick voll zu dienen! Er hörte Lakeys leichten Schritt neben sich.»Ich dachte gerade…»

Der Steuermann lächelte grimmig.»Mein Alter in Tresco sagte immer, überlaß das Denken den Pferden, Tobias, sie haben größere Köpfe als du. «Das schien ihn zu amüsieren.»Wir haben einem Kurs zu folgen, Mr. Keen. Und kein Brüten oder Bohren wird die Absichten des Kommandanten ändern, um keinen Deut.»

Keen grinste. Er mochte Lakey, obwohl ihre Welten so weit auseinander lagen.»Ich will's mir merken.»

Bolitho saß an seinem Schreibtisch und arbeitete sich langsam durch das tägliche Pensum. Wie meistens während der Vormittagswache empfing er einen regelmäßigen Strom von Besuchern.

Bynoe, der Zahlmeister, verlangte eine Unterschrift für seine Liste frisch geöffneter Fleischfässer. Er hatte harte Augen und ein noch härteres Herz, war aber besser als viele seines

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Siehe DER PIRATENFÜRST