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Bolitho fröstelte vor Erregung. Er hatte schon genügend französische Schiffe gesehen. Sie waren hervorragend konstruiert, formschön, und sollten sehr gute Besatzungen haben.

Er blickte vorbei an den Booten und sah Coutts, der sich mit auf dem Rücken verschränkten Händen mit Pears und Bunce unterhielt. Alle machten einen ruhigen Eindruck, obwohl man das bei Pears nicht so ohne weiteres erkennen konnte. Es war seltsam, derartigen Betrieb zu so früher Stunde auf dem Achterdeck zu sehen. Geschützbedienungen arbeiteten auf beiden Seiten, und weiter achtern, vor den Hängemattsnetzen, standen d'Esterres klägliche Reste an Unteroffizieren. Dicht bei einer Neunpfünderbatterie entdeckte er Libby, einstmals Signalfähnrich, jetzt Fünfter Offizier. Was mochte er wohl denken? Er war siebzehn Jahre alt, und wenn eine volle Kartätschenladung das Achterdeck leerte, fand er sich womöglich vorübergehend im Besitz der Kommandogewalt, bis jemand anderer ihn erreichen konnte. Frowd war auch dort, vor kurzem noch Steuermannsmaat, jetzt Sechster. Es war verrückt, wenn man es sich überlegte: er war ein oder zwei Jahre älter als Cairns. Frowd stand in der Nähe von Sambell, dem anderen Steuermannsmaaten. Bevor Sparke fiel und Probyn gefangengenommen wurde, hieß es» Jack «und» Arthur«. Jetzt hieß es» Sir «und» Mr. Sam-

bell».

Erhörte Cairns Ruf:»Einen Strich abfallen!«Dann, später, rief der Rudergänger:»Neuer Kurs liegt an, Sir! Südost zu Süd!»

Die Brassen wurden besetzt und die Rahen entsprechend der geringfügigen Kursänderung getrimmt. Außer dem Pfeifen in den Segeln und den anderen Geräuschen des Schiffes herrschte absolutes Schweigen.

Bolitho stellte sich die Karte vor: voraus lag die Insel, wie sie den Ausgucksleuten im Topp jetzt erscheinen mußte. Die Hauptmasse des Landes erstreckte sich nach Steuerbord, hinter der Landzunge lag der Eingang zum Ankerplatz, wo die Spite jetzt vermutlich auf Position lag. Es würde eine böse Überraschung für sie geben, wenn der Franzose über die flach auslaufende Landzunge für sie sichtbar wurde. Cunninghams Ausgucksposten würden ihn möglicherweise für die Trojan halten.

«An Deck!«Bullers heisere Stimme.»Das andere Schiff kürzt Segel, Sir!»

Jemand sagte:»Vermutlich hat er die Spite gesichtet.»

Die Backbordbatterie tauchte ein, als die Trojan sich leicht überlegte, und Bolitho sah die festgezurrten Geschütze plötzlich im ersten Sonnenlicht aufblitzen.

Die Farben kehrten zurück, alle Dinge wurden wieder wie sonst, das fahle Morgenlicht war der Sonne gewichen. Hier und da bewegte sich jemand, schoß ein Tau auf, strich sich das Haar aus den Augen oder legte sich das Enterbeil zurecht.

In Abständen standen die Unteroffiziere und Fähnriche, kleine, blau-weiße Markierungspunkte in der Reihe der Seeleute.

Hoch über dem Deck, an der Spitze des Großmastes, wehte der lange Wimpel wie eine rote Schlange. Der Wind blieb stetig, trotzdem bestand keine Möglichkeit, dem anderen Schiff den Weg abzuschneiden.

Quinn flüsterte:»Was wird der Admiral tun? Wir sind nicht im Krieg mit Frankreich.»

Fähnrich Forbes flitzte über das Deck, wie ein Kaninchen sprang er über Tauwerk und sonstige Hindernisse.

Er grüßte und meldete:»Der Kommandant läßt Ihnen bestellen, Sir, Sie möchten den französischen Leutnant nach achtern bringen.»

Bolitho nickte.»Gut.»

Forbes genoß offensichtlich die Situation. Er stand mit den Mächtigen des Schiffes auf dem Achterdeck und war noch zu jung und zu aufgeregt, um die heraufziehende Gefahr zu sehen.

Quinn sagte:»Ich hole ihn.»

Bolitho schüttelte den Kopf und lächelte zugleich über die Absurdität. Er mußte den französischen Offizier bringen, weil Cairns im Augenblick zu tun hatte und alle anderen zu jung waren. Die Etikette mußte gewahrt werden, dachte er, selbst noch am Tor zur

Hölle.

Er fand den Franzosen unten im Orlopdeck, wo er mit dem Schiffsarzt vor dem Lazarett saß, während Thorndikes Assistenten den Operationstisch herrichteten und die Instrumente bereitlegten.

Der Arzt fragte nervös:»Was ist los, zum Teufel?«Er blickte seine Helfer an.»Das kostet nur Zeit und macht meine Instrumente schmutzig. Die haben wohl nichts zu tun dort oben!»

Bolitho ging nicht darauf ein, sondern sagte zu Contenay:»Der Kommandant möchte Sie sehen.»

Zusammen stiegen sie durch das untere Batteriedeck hinauf, wo fast völlige Dunkelheit herrschte, da alle Pforten geschlossen waren, und nur die Lunten einen trüben Schein auf ihre unmittelbare Umgebung warfen.

Contenay fragte:»Gibt es Ärger, mon amil».

«Ein Schiff. Eins von Ihren.»

Seltsam, dachte Bolitho, aber es fiel ihm leichter, mit dem Franzosen zu sprechen, als mit dem Arzt.

«Mon Dieu!«Contenay nickte grüßend einem Posten zu und fuhr fort:»Dann muß ich mir wohl jedes Wort überlegen.»

An Deck war es jetzt erheblich heller als vorher. Bolitho schien es fast ein Wunder, daß sich die Sicht während der kurzen Zeit seines Weges zum Lazarett und zurück so verändert hatte.

Auf dem Achterdeck meldete Bolitho: «M'sieu Contenay, Sir.»

Pears blickte auf.»Kommen Sie hier herüber. «Er schritt zu den Netzen, wo Coutts und der Flaggleutnant ihre Gläser auf das andere Schiff gerichtet hielten.

Bolitho warf einen raschen Blick hinüber. Er hatte sich nicht getäuscht, es war ein Linienschiff und ein stolzer Anblick. Es fuhr hart angebraßt mit Steuerbordhalsen, die Bramsegel und das Großsegel waren bereits aufgegeit, während es jetzt, leicht nach Backbord überliegend, die Einfahrt ansteuerte.

«Der Gefangene, Sir. «Pears blickte ebenfalls zu dem anderen Schiff hinüber.

Coutts ließ sein Glas sinken und musterte den Franzosen kühl.»Ach ja! Das Schiff dort, Monsieur, kennen Sie es?»

Contenays Mundwinkel zogen sich nach unten, als sei er im Begriff, die Antwort zu verweigern. Dann zuckte er resignierend mit den Schultern und erwiderte:»Es ist dieArgonaute. »

Ackerman nickte.»Das dachte ich mir, Sir, ich habe sie vor

Guadeloupe gesehen. Schönes Schiff, vierundsiebzig Kanonen.»

Pears sagte zu Contenay:»Sie fährt ebenfalls unter Konteradmiralsflagge. «Er sah den Franzosen fragend an.

Dieser antwortete:»Ja, unter Contre-Amiral Andre Lemercier. «Coutts musterte ihn.»Sie waren einer seiner Offiziere, habe ich recht?»

«Ich bin einer seiner Offiziere, Monsieur!«Contenay blickte zu dem anderen Zweidecker hinüber.»Das ist alles, was ich Ihnen sagen kann.»

Pears explodierte:»Benehmen Sie sich, Sir! Wir brauchen nicht mehr zu wissen. Sie haben des Königs Feinden geholfen, eine ungesetzliche Rebellion begünstigt, und jetzt erwarten Sie, wie ein unbeteiligter Zuschauer behandelt zu werden!»

Coutts schien überrascht von diesem Ausbruch.»Gut gesprochen, Kapitän, aber ich glaube, der Leutnant weiß genau, in welcher Lage er ist.»

Bolitho hörte gebannt zu und hoffte nur, Pears werde ihn nicht wegschicken. Ein privates Drama rollte da ab, das jeden anderen ausschloß und das doch ihrer aller Zukunft entscheiden konnte.

Cairns trat zu Bolitho und sagte leise:»Ein Problem für den Ad-miral, Dick. Ist es ein wirkliches Patt, oder werden wir dem Franzosen unseren Standpunkt klarmachen?»

Bolitho betrachtete Coutts jugendliches Profil. Zweifellos bedauerte er jetzt seinen Flaggenwechsel. Die mit neunzig Kanonen bestückte Resolute wäre den vierundsiebzig Geschützen des Franzosen erheblich überlegen gewesen, ein Vorteil, der bei der Trojan entfiel. Sie waren etwa gleich stark, denn ihre sechs Kanonen mehr wurden durch die Unterbesetzung und den Mangel an erfahrenen Offizieren wettgemacht.

Wenn Contenay ein typischer Vertreter des Offizierskorps der Argonaute war, dann gab sie in der Tat einen beachtlichen Gegner ab. Was würde Cunningham wohl tun? Eine Korvette war viel zu schwach, um am Kampf der Linienschiffe teilzunehmen, trotzdem wäre dann Hilfe willkommen, so gering Cunninghams Möglichkeiten auch sein mochten.