In der Zwischenzeit hatten die Rankenfüßer den Vogel gelähmt und in die Form eines Überschallgleiters gebracht, seine Klauen entfernt, um ihn aerodynamisch zu verbessern, und ihm irgendwelche Absonderungen injiziert, um den Verwesungsprozeß zum Stillstand zu bringen. Die ›Crew‹ hatte dann den Vogel und sich selbst in der richtigen Position versiegelt und war für die Dauer des Flugs in Winterschlaf gefallen, wobei das Zellgewebe des Vogels zur Lebenserhaltung verwendet wurde.

Als der Antriebskegel, der aus Millionen von Insekten bestand, von denen mehrere hunderttausend die intelligenten Kontrolleure darstellten, erst einmal in Position gebracht worden war, setzte sofort die Zündung ein.

Das war von den Rankenfüßern sehr gleichmäßig und sanft bewerkstelligt worden, um die sich verjüngende Kegelspitze nicht an der Stelle zu zerquetschen oder zu zerbrechen, wo sie am Vogel befestigt war. Die Bombardierkäfer konnten jederzeit von ihnen dazu gebracht werden, ihre geringe, fast winzige Menge Schubkraft auszustoßen, egal, ob sie tot oder lebendig waren. Aber die Antriebskontrolleure hatten sogar mit ihrer Fähigkeit, sich selbst in einem harten Überzug zu versiegeln, nicht sehr lange gelebt — zumal sie ebenfalls entbehrlich waren. Doch hatten sie noch im Sterben mitgeholfen, ein organisches Raumschiff, das ein paar Hundert ihrer Artgenossen mit sich trug, auf Entweichgeschwindigkeit von ihrem verlorenen Planeten und seiner Sonne zu bringen.

„… ich weiß nicht, wie sie den Vogel für den Wiedereintritt in die Atmosphäre eines anderen Planeten in die richtige Position bringen wollten“, fuhr Conway mit Bewunderung fort, „doch die atmosphärische Erhitzung war als Auslöser des organischen Schmelzvorgangs beabsichtigt, sobald der Gleiter genügend abgebremst worden war. Das hätte den Rankenfüßern nämlich ermöglicht, sich von dem Vogel zu befreien und mit eigener Flügelkraft auf die Oberfläche zu fliegen. In meiner Eile, den Überzug zu entfernen, hab ich einem großen Bereich des vorderen Teils Hitze zugeführt, was praktisch die Wiedereintrittsbedingungen simuliert hat, und deshalb…“

„Ja, ja“, unterbrach ihn O'Mara gereizt. „Eine meisterliche Anwendung medizinischer Schlußfolgerungen, und ansonsten hatten Sie nichts als verdammtes Glück! Und wie ich Sie kenne, wollen Sie es jetzt mir überlassen, die Sache in Ordnung zu bringen, indem ich eine Methode finde, wie man sich mit diesen Dingern am besten verständigen und den Transport zu ihrem geplanten Ziel in die Wege leiten kann, nicht wahr?

Oder gibt es vielleicht noch etwas anderes, das Sie von mir wollen?“

Conway nickte. „Brenner hat mir erzählt, daß seine aus Aufklärungsschiffen bestehende Flottille das Raumvolumen zwischen den Heimat- und Zielsternen dieser Wesen abdecken und den Suchvorgang nach weiteren dieser organischen Schiffe ausweiten könnte. Wahrscheinlich gibt es noch andere Vögel, vielleicht sogar Hunderte von ihnen…“

O'Mara öffnete den Mund und sah so aus, als würde er einen Bombardierkäfer nachahmen wollen. Doch bevor der Chefpsychologe etwas sagen konnte, fügte Conway hastig hinzu: „Ich will ja gar nicht, daß diese Rankenfüßer mitsamt ihren Raumvögeln hierhergebracht werden, Sir.

Das Monitorkorps kann sie zu ihrem Bestimmungsplaneten bringen, ihren Überzug erst auf der Oberfläche entfernen, um Opfer beim Wiedereintritt zu vermeiden, und ihnen dann die Situation erklären.

Schließlich handelt es sich bei diesen Wesen nicht um Patienten, sondern um Kolonisten.“

ZWEITER TEIL

Eine ansteckende Krankheit Chefarzt Conway wand sich in einem Möbelstück, das eigentlich für das körperliche Wohlbefinden eines sechsbeinigen Melfaners mit Ektoskelett konstruiert worden war, in eine nicht ganz so unbequeme Sitzposition und sagte in gekränktem Ton: „Nach zwölf Jahren medizinischer und chirurgischer Erfahrung im größten Hospital der Föderation verspricht man sich von der nächstfolgenden logischen Stufe auf der Beförderungsleiter doch wohl etwas mehr als… als zum Fahrer eines Ambulanzschiffs ernannt zu werden!“

Die andere vier Wesen, die zusammen mit ihm im Büro des Chefpsychologen warteten, zeigten zunächst keinerlei Reaktion. Dr. Prilicla klammerte sich schweigend an die Decke — seine bevorzugte Position, wenn er sich in der Gesellschaft von Lebewesen befand, die größer und muskulöser waren als er. Zusammen auf einer illensanischen Bank saßen die ungewöhnlich hübsche Pathologin Murchison und eine raupenähnliche kelgianische Oberschwester mit silbernem Fell namens Naydrad. Auch sie schwiegen. Major Fletcher, dem man als erst kürzlich eingetroffenen Besucher des Hospitals aus Höflichkeit den einzigen physiologisch passenden Stuhl angeboten hatte, war der erste, der das Schweigen brach.

„Man wird Ihnen aber nicht gestatten, das Ambulanzschiff zu fliegen, Doktor“, sagte er ernst.

Es war offensichtlich, daß Major Fletcher immer noch stolz auf die funkelnden Abzeichen eines Schiffskommandanten war, die seit neuestem die Ärmel seiner Monitoruniform schmückten, und sich bereits jetzt um das Wohlergehen des Schiffs sorgte, auf dem er in Kürze das Kommando haben würde. Conway erinnerte sich daran, bei Erhalt seines ersten Taschenscanners genauso empfunden zu haben.

„Also wirst du nicht einmal zum Fahrer eines Ambulanzschiffs befördert“, bemerkte Murchison lachend.

Naydrad beteiligte sich am Gespräch mit einer Reihe wimmernder und pfeifender Geräusche, die übersetzt lauteten: „Erwarten Sie etwa in einer Einrichtung wie dem Orbit Hospital so etwas wie Logik, Doktor?“

Conway antwortete nicht. Er dachte daran, daß über die Gerüchteküche des Hospitals, die einen normalerweise zuverlässigen Herd hatte, bereits seit Tagen die Neuigkeit verbreitet worden war, ein Chefarzt, nämlich Conway selbst, würde bald dauerhaft einem Ambulanzschiff zugeteilt.

An der Decke begann Dr. Prilicla als Reaktion auf Conways emotionale Ausstrahlung zu zittern. Deshalb versuchte dieser, seine Gefühle der Verwirrung und Enttäuschung unter Kontrolle zu bekommen.

„Bitte regen Sie sich wegen dieser Geschichte doch nicht unnötig auf, mein Freund“, bat der kleine Empath, und die rollenden Schnalzlaute der fast musikalischen Sprache des Cinrusskers überlagerten die emotionslos klingende Übersetzung aus dem Translator. „Zunächst einmal muß man uns noch von offizieller Seite über diese neue Aufgabe informieren, und ich halte es für sehr wahrscheinlich, daß Sie dann angenehm überrascht sein werden, Doktor.“

Wie Conway wußte, war Prilicla jedoch nicht abgeneigt zu lügen, wenn er dadurch die emotionale Atmosphäre einer Situation verbessern konnte.

Er tat das allerdings nicht, wenn eine solche Besserung nur kurzfristig anhielt, und daraufhin sogar noch stärkere Gefühle des Ärgers und der Enttäuschung folgten.

„Und wie kommen Sie darauf, Doktor?“ fragte Conway. „Sie haben das Wort ›wahrscheinlich‹ und nicht ›möglich‹ verwandt. Haben Sie irgendwelche Insiderinformationen?“

„Das stimmt allerdings, mein Freund“, antwortete der Cinrussker. „Ich hab eine emotionale Strahlungsquelle geortet, die vor einigen Minuten das Vorzimmer betreten hat. Sie entspringt den Gefühlen unseres Chefpsychologen und strahlt Entschlossenheit mit einer Art gedämpfter Besorgnis aus, wie sie bei Wesen typisch ist, auf denen Verantwortung lastet. Ich kann aber keine Gefühle entdecken, die vorhanden sein müßten, wenn man vorhat, jemandem eine unangenehme Neuigkeit beizubringen. Im Moment spricht Major O'Mara mit einem seiner Assistenten, der sich ebenfalls keines latenten unangenehmen Gefühls bewußt ist.“

Conway lächelte und entgegnete: „Danke, Doktor. Jetzt fühle ich mich schon wesentlich besser.“

„Ich weiß“, antwortete Prilicla.

„Und ich hab das Gefühl, daß eine solche Debatte über die Gefühle des Wesens O'Mara an eine Verletzung des medizinischen Berufsethos grenzt“, sagte Schwester Naydrad. „Emotionale Ausstrahlung ist zweifellos so etwas wie eine vertrauliche Mitteilung und sollte nicht auf diese Weise verbreitet werden.“