In der nächsten Verbindungsschleuse mußten sie leichte Schutzanzüge anlegen, bevor sie sich in die neblige, gelbe Welt der chloratmenden Illensaner begaben.

Hier wimmelte es auf den Korridoren von stacheligen, membranartigen und ungeschützten Bewohnern des Planeten Illensa, und diesmal waren es die sauerstoffatmenden Tralthaner, Kelgianer oder Terrestrier wie er selbst, die in Schutzkleidung steckten oder sich sogar in Spezialfahrzeugen fortbewegen mußten.

Der nächste Abschnitt ihres Wegs führte sie durch das gewaltige Becken der AUGL-Station, wo die bis zu zwölf Meter langen wasseratmenden Wesen von Chalderescol II schwerfällig durch ihre warme, grüne Welt schwammen. Die Schutzanzüge brauchten sie nicht abzulegen, doch die Notwendigkeit zu schwimmen verringerte ihre Geschwindigkeit ein wenig, obwohl der Publikumsverkehr hier nicht sonderlich dicht war. Trotz dieser Unwägbarkeiten waren erst fünfunddreißig Minuten vergangen, seit sie O'Maras Büro verlassen hatten, und von ihren Anzügen tröpfelte noch immer chalderisches Wasser, als sie das Ambulanzdock schließlich erreichten.

Kaum hatten sie sich an Bord der Rhabwar begeben, schloß sich auch schon die Personenschleuse hinter ihnen. Der Captain hastete zum gravitationsfreien Hauptverbindungsschacht des Schiffs und zog sich in Richtung Kontrollraum. Das medizinische Team bewegte sich in etwas gemächlicherer Manier auf das Unfalldeck zu, das sich mittschiffs befand.

Im Stationsabschnitt verbrachten Conway und die anderen einige Zeit damit, die hervorragende Ausstattung und die höchst vielseitigen Geräte zu den relativ einfachen Betten und Lebenserhaltungssystemen umzubauen, die man für die gewöhnliche Behandlung von Frakturen und/oder Dekompressionskrankheiten bei Terrestriern benötigte — diese Gerätschaften waren in der Lage, den Operations- und Nachbehandlungsbedarf von allen Opfern zu decken, die zu irgendeiner der über sechzig verschiedenen intelligenten Lebensformen gehörten, die der galaktischen Föderation bekannt waren.

Obwohl der Aufenthalt der Unfallopfer im Ambulanzschiff eher eine Sache von Stunden als von Tagen sein würde, konnte die in den ersten paar Minuten angewandte Behandlung allein darüber entscheiden, ob ein Opfer überlebte oder noch vor der eigentlichen Einlieferung starb. Nicht einmal das Orbit Hospital konnte etwas gegen den zweiten Fall tun, dachte Conway, und er fragte sich gleichzeitig, ob nicht noch weitere Vorkehrungen getroffen werden konnten, falls Verunglückte aufgenommen werden mußten, deren Anzahl und Zustand bis zum Zeitpunkt ihrer Einlieferung auf dem Ambulanzschiff unbekannt waren.

Er mußte sich diese Frage laut gestellt haben, denn Naydrad sagte plötzlich: „Wir sind auf zwölf Unfallopfer vorbereitet, Doktor. Dabei sind wir davon ausgegangen, daß jedes Mitglied der zehnköpfigen Crew des Aufklärungsschiffs verletzt ist und zusätzlich zwei unserer Crewmitglieder während der Bergung Verletzungen davontragen, wofür allerdings nur eine geringe Wahrscheinlichkeit besteht. Acht der Betten sind für Fälle mit mehrfachen Frakturen hergerichtet worden, die anderen vier für Schädelund Unterkieferbrüche mit eventuell verbundener Beeinträchtigung der Gehirnfunktionen, was eine Unterstützung von Herz und Atmung erforderlich machen könnte. Selbstformende Schienen, Hilfsmittel zur Ruhigstellung der Patienten und Medikamente, die allesamt für die DBDG-Klassifikation geeignet sind, stehen jederzeit bereit. Aber wann können wir eigentlich den Inhalt von O'Maras Band erfahren, Doktor?“

„Ich hoffe bald“, antwortete Conway. „Zwar besitze ich nicht die empathischen Fähigkeiten von Doktor Prilicla, aber auch so bin ich mir sicher, daß unser Captain nicht gerade erfreut wäre, wenn wir die genaueren Einzelheiten unseres Einsatzes ohne ihn erfahren und besprechen würden.“

„Das stimmt allerdings, mein Freund“, sagte Prilicla. „Trotzdem kann die Verbindung aus Beobachtung, Schlußfolgerung und Erfahrung auch einer nichtempathischen Spezies in vielen Fällen die Fähigkeit verleihen, emotionale Ausstrahlung wahrzunehmen oder richtig zu deuten.“

„Offensichtlich“, stimmte Naydrad ihm zu. „Aber wenn niemand mehr etwas Wichtiges zu sagen hat, werde ich mich jetzt schlafen legen.“

„Und ich werde mein Gesicht an eine Sichtluke pressen und hinausschauen“, sagte Murchison. „Es muß schon wenigstens drei Jahre her sein, seit ich das letzte mal die Möglichkeit hatte, das Hospital von außen zu sehen.“

Während sich die kelgianische Oberschwester zu einem pelzigen Fragezeichen auf einem der Betten zusammenrollte, gingen Murchison, Prilicla und Conway zu einer Sichtluke, die im Augenblick allerdings nur den Blick auf völlig konturlose Metallverkleidungen und den perspektivisch verkürzten Zylinder von einem der hydraulischen Dockauslegern freigab.

Doch während sie hinausblickten, nahmen sie eine Reihe leichter Erschütterungen wahr, die durch die Schiffsstruktur übertragen wurden. Die Außenwand des Hospitals begann sich jetzt von ihnen zu entfernen, und der Dockausleger verkürzte sich perspektivisch noch mehr, als er stoßfrei zu voller Länge ausfuhr und das Schiff ausklinkte und gleichzeitig sanft abstieß.

Die Entfernung wuchs und ließ immer mehr Einzelheiten in das Gesichtsfeld der Luke treten: die Besatzungsschleusen und Ausrüstungsverladeröhren, die bereits wieder in ihre Gehäuse eingezogen waren; die blinkenden oder ständig brennenden Lande- und Dockbaken; eine Reihe von Luken, die von der typisch grüngelben Beleuchtung der illensanischen Chloratmer erhellt waren, und eine große Versorgungsfähre, die sich einem Dockausleger näherte.

Als die Rhabwar Schub gab, entfaltete und drehte sich das gesamte Bild in der Sichtluke plötzlich von oben nach unten. Es war ein sanftes, behutsames Manöver, das das Schiff auf einen Spiralkurs brachte, der es durch den Nahverkehr des Hospitals zu einer Entfernung führen sollte, in der man vollen Schub geben konnte, ohne andere Schiffe im Gebiet zu gefährden oder die Temperatur der Außenwand des Hospitals zu erhöhen — ein Vorfall, der weit mehr als eine Gefährdung darstellen würde, wenn sich hinter solch einer zeitweilig heißen Stelle eine Station befand, die mit zerbrechlichen, kristallinen und extrem kalten Methanatmern belegt war.

Das Bild schrumpfte weiter zusammen, bis das ganze gigantische Hospitalgebäude von der Luke umrahmt war, und drehte sich langsam, während das Schiff sich auf seinem Spiralkurs entfernte. Dann gab Fletcher Schub, und das Hospital verschwand achtern außer Sichtweite.

Mit dem Verschwinden des hellerleuchteten Hospitals kehrte allmählich ihr Nachtsehvermögen zurück, und sie blickten schweigend hinaus. Die Stille wurde nur von den zischenden Geräuschen der schlafenden Kelgianerin unterbrochen, während außerhalb der Luke in der schier undurchdringlichen Dunkelheit die ersten Sterne auftauchten.

Der Lautsprecher auf dem Unfalldeck knackte und brummte, dann räusperte sich eine Stimme und sagte: „Hier Kontrollraum. Wir setzen den Schub mit einem Ge fort, bis wir die Sprungdistanz erreicht haben, was in exakt sechsundvierzig Minuten der Fall sein wird. Während dieser Zeitspanne werden die künstlichen Schwerkraftgitter auf allen Decks wegen eines allgemeinen Systemchecks und zu Inspektionszwecken deaktiviert.

Jeder ET an Bord, der spezielle Gravitationswerte benötigt, überprüft und aktiviert bitte seine persönliche Ausrüstung.“

Conway fragte sich, warum der Captain die Sprungdistanz nicht mit vollem Schub zurücklegte und statt dessen mit einem Ge herumbummelte.

Zweifellos durfte er nicht zu nahe am Hospital in den Hyperraum eintauchen, weil die Erzeugung schon eines kleinen künstlichen Universums, das erst das Fliegen mit Überlichtgeschwindigkeit ermöglichte und die Masse eines Schiffs umschließen konnte, weit mehr als nur eine geringfügige Belästigung oder Störung des Orbit Hospitals darstellen würde. Ein solches künstliches Universum konnte hier sämtliche Kommunikations- und Kontrolleinrichtungen zerstören, was sowohl für die Patienten als auch für das Personal fatale Folgen gehabt hätte. Doch andererseits schien es Fletcher auch nicht sonderlich eilig zu haben, obwohl es sich immerhin um einen Notruf handelte.