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Der zweite Wächter trat durch die Tür und streckte die Hand nach dem Lichtschalter aus. Er legte ihn um und gewahrte für einen winzigen Moment Hali Kasim, der vor ihm stand. Der Anblick erschreckte ihn derart, dass er ihn für einen Sekundenbruchteil gar nicht richtig bewältigen konnte. Als er endlich reagierte, hatte Hali Kasim ihn bereits in einem Haltegriff und stach ihm die Nadel in den Arm.

Der Wächter erhielt einen Ruheplatz gleich neben Abdul Ralmein.

In diesem Augenblick hörte Hali Kasim die Stimmen von zwei Männern, die sich dem kleinen Steingebäude näherten. Er fand nicht mehr die Zeit, das Licht auszuschalten und sich zu verstecken. Die beiden Männer traten durch die offene Tür und starrten ihn an.

»Was zum –«, stieß einer der beiden hervor, als zwei Männer von Kasims Einsatzteam, die sich draußen versteckt hatten, den Weg zurück blockierten.

Der Kampf war beendet, ehe er richtig begonnen hatte.

Kasim gab einem seiner Männer mit dem Kopf ein Zeichen. »Gehen Sie schnell zum Tor und bringen Sie die anderen her.«

Der Mann entfernte sich eilig.

»Sechs von euch durchsuchen die Moschee nach Bomben«, befahl Kasim weiter. »Wenn die Detektoren eintreffen, schicken wir sie gleich zu euch rüber. Bis dahin müsst ihr euch auf eure Augen verlassen. Falls ihr etwas entdecken solltet, lasst bloß die Finger davon.«

Die sechs Männer verschwanden in der Nacht.

»Die anderen bleiben bei mir. Wenn wir erst die Uniformen der Wachablösung tragen und ihre Positionen eingenommen haben, brauchen wir jemanden, der sich um die Angehörigen der abgelösten Wächter kümmert.«

Drei Minuten später stand die falsche Wachablösung gestiefelt und gespornt bereit.

Hali Kasim sah sie beschwörend an. »Ihr habt hoffentlich genau beobachtet, was die Wächter zu tun haben, ja?«

Die Männer nickten heftig.

»Von jetzt ab tut genau dasselbe.«

»Gehen wir zusammen raus?«, fragte einer der Männer.

»Nein«, erwiderte Kasim. »Laut Dienstplan findet die Ablösung nacheinander statt. Sie beginnt mit der nordwestlichen Ecke und geht im Uhrzeigersinn weiter.«

Es war mittlerweile 1:57 Uhr.

»Sie zuerst«, entschied Kasim und deutete auf einen der Männer. »Wir beobachten alles genau — von weitem.«

Der erste falsche Wächter marschierte durch den Innenhof. Kasim und seine Männer versteckten sich hinter der Ecke des Gebäudes, das der Kaaba am nächsten stand, und schauten zu. Der Mann steuerte auf die nordwestliche Ecke der Kaaba zu.

Manchmal sind auch die am besten ausgedachten Pläne nichts anderes als Pläne. Dieser, übereilt und ohne die für die Corporation übliche Raffinesse zusammengeschustert, war im Begriff, grandios zu scheitern. Der Wächter, den Ralmein auf seinem Posten ablösen sollte, war zufälligerweise auch sein bester Freund. Als statt seiner jemand anders erschien, weckte dies sofort sein Misstrauen. Der echte Wächter wusste auf Anhieb, dass irgendetwas nicht stimmte.

»Wer bist du?«, fragte der Wächter mit lauter Stimme auf Arabisch.

Hali Kasim hörte die Frage und wusste, dass nun die Probleme begannen. Der Wächter griff nach einer Trillerpfeife, die er an einer Schnur um den Hals trug. Doch ehe er hineinblasen konnte, rang ihn der falsche Wächter zu Boden.

»Jeder kann jetzt tun, was er für richtig hält!«, brüllte Hali Kasim seinen Männern zu. »Nur darf niemand entkommen.«

Hali Kasim, die restlichen drei falschen Wächter und die vier anderen Männer verließen ihre Verstecke und rannten über den Hof auf die Kaaba zu. Schnell zogen sie zwei weitere Wächter aus dem Verkehr, aber einer riss sich los und flüchtete zum Tor.

Kasim verfolgte ihn sofort, aber der Wächter war schnell. Er hatte den Hof überquert und schon fast den Torbogen, der nach draußen führte, erreicht, als einer der Männer, die nach versteckten Bomben suchten, aus dem Schatten trat und ihn mit einer reflexartigen Armbewegung von den Beinen riss.

Der Wächter landete auf den Steinboden und verabschiedete sich ins Land der Träume. Ein dünner Blutfaden sickerte von seinem Hinterkopf auf die Marmorplatten.

»Schleift ihn ins Wächterhaus«, befahl Kasim, als er herüberkam, »und wickelt ihm etwas um den Kopf.«

Zwei Männer packten den bewusstlosen Wächter unter den Achselhöhlen und brachten ihn fort.

Hali Kasim kehrte eilig zur Kaaba zurück, überzeugte sich, dass die falschen Wächter ihre vorgeschriebenen Positionen einnahmen, und half dann, die echten Wächter ins Wächterhaus zu bringen. Danach warf er einen Blick auf seine Armbanduhr. Sie zeigte 2:08 Uhr. Daraufhin begab sich Kasim zum Eingang der Moschee, um auf den CIA-Agenten zu warten. Dieser traf kurz darauf mit dem Suburban ein. Er stieg aus, stellte einen Karton mit den chemischen Detektoren ab und holte den Behälter mit dem Stein Abrahams vom Rücksitz.

»Ich bin Kasim, geben Sie mir den Stein.«

Der Agent zögerte. »Ich bin Muslim«, drängte Kasim, »her mit dem Stein.«

Der Agent reichte Kasim den Karton.

»Bringen Sie die Detektoren hinein und geben Sie sie dem ersten Mann, den Sie treffen«, erklärte Kasim. »Anschließend verschwinden Sie von hier. Das Ganze wird nicht so glatt laufen, wie wir es geplant haben.«

»Okay«, sagte der Agent.

Kasim, den Behälter mit dem Stein unterm Arm und dem CIA-Agenten im Schlepptau, kehrte in den Innenhof der Moschee zurück. Der Agent übergab einem von Kasims Männern den Behälter mit den chemischen Detektoren und verfolgte, wie Kasim den Hof überquerte und hinter dem Vorhang verschwand, der die Kaaba verbarg. Dann verließ er die Moschee und stieg in den Suburban, der kurz darauf mit quietschenden Reifen in der Dunkelheit untertauchte.

Sobald er sich auf der anderen Seite des Vorhangs befand, überkam Kasim ein Gefühl des Friedens und der Ruhe. Die wechselvolle Geschichte des Heiligtums teilte sich ihm fast körperlich mit. Für einen kurzen Moment regte sich in ihm die Hoffnung, es möge noch nicht alles verloren sein. Ein einzelner Scheinwerfer beleuchtete die silberne Einfassung der Nische im schwarzen Block der Kaaba, in der jetzt noch der auf Grönland gefundene Meteorit ruhte.

Kasim setzte den Karton mit dem Stein Abrahams ab und zerschnitt mit seinem Taschenmesser die Verpackung. Er richtete sich auf, nahm den Grönland-Stein aus der Nische und legte ihn neben den Karton. Dann hob er den Stein Abrahams vorsichtig aus seinem Behältnis.

Behutsam und andächtig trug er ihn zurück auf seinen angestammten Platz.

Dann trat Hali Kasim zurück, murmelte ein kurzes Gebet und deponierte den Grönland-Stein im Karton. Nun tauchte er unter dem Vorhang auf und brachte den Karton zum Wächterhaus. Inzwischen durchsuchten seine restlichen Männer die Moschee mit Hilfe der Detektoren. Er nutzte diese Zeit, um zu telefonieren.

Skutter saß auf dem Beifahrersitz des Lieferwagens. Seine Leute hatten es sich im Laderaum bequem gemacht. Da klingelte das Telefon.

»Wir beobachten euch von oben«, meldete Max Hanley. »Unsere Pläne haben sich ein wenig geändert — ihr braucht nicht nach Jeddah zu fahren. Wir holen euch schon vorher raus.«

Auf der Oregon beobachtete Hanley das von einem Satelliten übermittelte Infrarotbild des Lieferwagens auf seiner Fahrt nach Süden. »Fahren Sie noch etwa zehn Kilometer weiter«, gab Hanley durch, »und halten Sie an. Dicht vor der Küste liegt ein Schiff. Sie schicken gleich eine Barkasse an Land, um Sie aus der Bucht zu holen. Schaffen Sie Ihre Männer an Bord, Captain Skutter, und dann sind wir am Zug.«

»Wie viele Sprengsätze haben Hali und sein Team gefunden?«, wollte Eric Stone wissen.

»Fünf«, sagte Hanley.

»Weißt du, Max, ich würde empfehlen, den Rest den Saudis zu überlassen. Ich habe soeben einen Anruf von der Frau eines der Wächter abgefangen. Sie hat sich bei der örtlichen Polizei erkundigt, warum ihr Mann noch nicht zu Hause eingetroffen ist.«