»Sie müssen diese Leute abgrundtief hassen«, sagte Vanderwald.
Hickman trat aufs Gaspedal, und der Karren machte einen Satz vorwärts den Fairway hinunter zu ihren Golfbällen. »Ich bezahle Sie für Ihr Wissen und nicht für eine Psychoanalyse.«
Vanderwald nickte und wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Fotografie zu. »Wenn es wirklich das ist, was Sie annehmen«, sagte er ruhig, »dann haben Sie einen wahren Schatz an Land gezogen. Die Strahlung ist sehr hoch, und in fester oder Pulverform ist es extrem gefährlich. Sie haben eine ganze Reihe von Möglichkeiten.«
Hickman trat auf die Bremse, als sie sich Vanderwalds Ball näherten. Sobald der Karren stehen geblieben war, stieg der Südafrikaner aus, ging nach hinten und zog einen Schläger aus dem Sack, dann begab er sich zu dem Ball und ging in Schlagposition. Nach einigen Probeschwüngen hielt er inne und konzentrierte sich. Dann holte er aus und vollführte mit dem Schläger einen weiten glatten Schwung gegen den Ball. Der Ball prallte vom Schlägerkopf ab und gewann auf seiner Reise an Höhe. Nach gut hundert Metern freien Fluges landete er weniger als zehn Meter vom Grün entfernt im Gras und verfehlte um Haaresbreite den Sandbunker.
»Also würde die Substanz in zermahlenem Zustand und in die Luft geblasen ihre größte Wirkung entfalten?«, fragte Hickman, während Vanderwald wieder seinen Platz neben ihm einnahm.
»Vorausgesetzt man schafft es, mit einem Flugzeug in die Nähe des Zielortes zu gelangen.«
»Haben Sie eine bessere Idee?«, fragte Hickman, während sie auf seinen Ball zurollten.
»Ja«, sagte Vanderwald, »die Feinde mitten ins Herz zu treffen. Aber das wird Sie einiges kosten.«
»Glauben Sie wirklich«, fragte Hickman, »dass Geld ein Problem ist?«
7
Manchmal ist Temperatur ebenso ein Gemütszustand wie auch eine Umweltbedingung. Wenn man Hitzewellen vom Asphalt aufsteigen sieht, liegt es nahe, davon auszugehen, dass es draußen wärmer ist, als wenn dieselbe Straße rechts und links mit Schnee gesäumt ist. Hinsichtlich dessen, was er vor sich sah, machte sich Juan Cabrillo keinerlei Illusionen. Der Blick aus dem Fenster der Turbopropmaschine auf ihrem Weg über die Dänemarkstraße von Island nach Grönland konnte das Herz eines Menschen gefrieren lassen und ihn dazu bringen, sich voller Mitleid die Hände zu reiben. Die Ostküste von Grönland war mit Bergen gesäumt und bot einen tristen und kahlen Anblick. Auf all den Tausenden von Quadratkilometern, aus denen Ostgrönland bestand, traf man eine Bevölkerung von weniger als fünftausend Menschen an.
Der Himmel war blauschwarz und voller Wolken, prall von Schnee. Man brauchte nicht erst die Hand in die mit Gischt gekrönten Fluten zu tauchen, um zu erfahren, dass sich die Wassertemperatur unterhalb des Gefrierpunktes bewegte und die rollenden Wogen nur wegen ihres Salzgehalts noch nicht zu Eis erstarrt waren. Die dünne Eisschicht auf den Tragflächen und die Eisblumen auf der Windschutzscheibe unterstrichen diesen Eindruck, doch der mächtige Eispanzer, der Grönland bedeckte und durch die Windschutzscheibe kaum zu erkennen war, verlieh dem Ganzen eine eisige und bedrohliche Ausstrahlung.
Cabrillo fröstelte unwillkürlich und blickte aus dem Seitenfenster.
»Wir brauchen noch ungefähr zehn Minuten«, bemerkte der Pilot. »Der Wetterbericht meldet Windgeschwindigkeiten von zehn bis fünfzehn Metern pro Sekunde. Die Landung sollte ein Spaziergang sein.«
»Okay«, sagte Cabrillo mit erhobener Stimme, um den Motorenlärm zu übertönen.
Die Männer verfielen in Schweigen, während das Bergpanorama näher kam.
Ein paar Minuten später hörte und spürte Cabrillo, wie die Turbopropmaschine abgebremst wurde, als der Rand des Rollfeldes sichtbar wurde. Der Pilot verließ also diesen Kurs und richtete die Maschine so aus, dass sie Rückenwind bekam und sich parallel zur Rollbahn bewegte. Auf diese Weise legten sie eine kurze Strecke zurück, und Cabrillo verfolgte, wie der Pilot behutsam die Flugsteuerung bediente. Nach knapp einer Minute leitete er eine Kehre ein und ging in den endgültigen Landeanflug.
»Nicht mehr lange«, sagte der Pilot, »und wir sind unten.«
Cabrillo blickte hinab auf die eisige Einöde. Die Lichter, die die Rollbahn säumten, erhellten die Nachmittagsdämmerung mit ihrem matten Glanz. Im Schneetreiben kam die durchbrochene Markierungslinie der Rollbahn in Sicht und huschte unter dem Flugzeug durch. Cabrillo erhaschte in der zunehmenden Dunkelheit einen kurzen Blick auf den leicht aufgeblähten Windsack.
Der Flugplatz von Kulusuk, auf dem sie landeten, versorgte rund vierhundert Einwohner und war kaum mehr als eine holprige Piste, die zusammen mit ein paar kleinen Gebäuden hinter einer Bergkette Schutz suchte. Die nächste Stadt — Angmagssalik oder Tasiilaq, wie sie von den Inuit genannt wurde — war einen zehnminütigen Hubschrauberflug weit entfernt und hatte dreimal so viele Einwohner wie Kulusuk.
Als die Turbopropmaschine genau über der Rollbahn schwebte, betätigte der Pilot das Seitenruder und stellte sie gegen den Wind. Nur Sekunden später setzte er sie leicht wie eine Feder auf die Rollbahn. Er lenkte sie über festgebackenen Schnee und bremste vor einem Wellblechbau. Dann ging er im Schnellverfahren die Landecheckliste durch, unterbrach die Zündung des Motors und deutete auf das Gebäude.
»Ich muss auftanken«, sagte er. »Solange können Sie dort reingehen und warten.«
8
Zurgleichen Zeit, als Cabrillo in Kulusuk landete, schaltete der Pilot der Hawker 800XP auf dem Flugfeld des International Airport in Kangerlussuaq an der Westküste Grönlands die Maschinen aus. Kangerlussuaq verfügte über eine zwei Kilometer lange asphaltierte Rollbahn, auf der auch große Linienjets starten und landen konnten, und wurde häufig als Tankstation für Frachtflüge nach Europa und weiter genutzt. Der Flugplatz war gut siebenhundert Kilometer vom Mount Forel entfernt, doch war er die nächstgelegene Einrichtung seiner Art mit einer Rollbahn versehen, die für die Hawker lang genug war.
Clay Hughes wartete, während der Pilot die Tür entriegelte, dann erhob er sich aus seinem Sessel. »Wie lauten Ihre Befehle?«, fragte Hughes.
»Wir sollen hier warten, bis Sie zurückkommen«, antwortete der Kopilot, »oder wir erhalten von unserem Boss einen Befehl, dass wir abfliegen sollen.«
»Wie kann ich Sie erreichen?«
Der Kopilot reichte Hughes eine Visitenkarte. »Dort steht die Nummer des Satellitentelefons, das der Pilot bei sich hat. Rufen Sie uns an und geben Sie uns eine halbe Stunde Zeit für die notwendigen Vorbereitungen.«
»Wurde Ihnen mitgeteilt, wie ich von hier an den Ort gelange, zu dem ich will?«
Der Pilot schob den Kopf aus dem Cockpit. »Da kommt ein Mann auf die Maschine zu«, sagte er und deutete auf die Windschutzscheibe. »Ich vermute, er möchte zu Ihnen.«
Hughes verstaute die Visitenkarte in einer Tasche seines Parkas. »Na schön.«
Ein eisiger Wind wehte über die Rollbahn und wirbelte den Schnee hoch wie Konfetti während einer Parade. Während Hughes die Treppe der Hawker hinunterging, tränten seine Augen sofort.
»Sie müssen der Fluggast sein, den ich zum Mount Forel bringen soll«, sagte der Mann und streckte eine Hand aus.
»Mein Name ist Mike Neilsen.«
Hughes nannte Neilsen einen Fantasienamen, dann blickte er hoch. »Können Sie gleich starten?«
»Vor morgen früh kommen wir nicht weg«, erwiderte Neilsen. »Im Hotel wurden für Sie und die Piloten zwei Zimmer reserviert. Wir können beim ersten Tageslicht aufbrechen, vorausgesetzt das Wetter klart auf.«
Die Männer machten sich in Richtung Terminal auf den Weg. »Haben Sie genügend Reichweite, um von hier direkt zum Mount Forel zu fliegen?«, wollte Hughes wissen.
»Bei Windstille schaffe ich sechshundert Meilen«, klärte Neilsen ihn auf. »Ich denke jedoch, zur Sicherheit sollten wir zwischendurch in Tasiilaq tanken, ehe wir Kurs auf den Berg nehmen.«