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Tausend Meilen östlich des Geschwaders hatte die kleine Brigg Firefly in Lee von Nelsons Flaggschiff beigedreht.

Adam Bolitho stand auf dem breiten Achterdeck und schaute hinüber zu den anderen Schiffen und dann empor zur Flagge des Vizeadmirals. Wie auf dem Schiff seines Onkels, aber doch ganz anders. Er war nicht der einzige Gast, und der Flaggkapitän war nur kurz stehengeblieben, um ihm zuzunicken.

Adams einzelne Epaulette zählte hier nur wenig. Doch die Herausforderung und das erste Rendezvous als Kommandant eines eigenen Schiffes faszinierten ihn. Sogar der Anblick des majestätischen Felsens von Gibraltar war ihm erregend vorgekommen. Und nun stand er hier auf der alten Victory, ignoriert vielleicht, aber doch dazugehörig.

Er legte die Hand über die Augen und schaute hinüber zu seiner kleinen Brigg. Sie war jung und lebendig, so wie er sich fühlte. Das alles hatte er seinem Onkel zu verdanken, obwohl der es entschieden bestritten hätte. Adam seufzte. Morgen hatte Sir Richard Geburtstag, aber wenn ihn niemand daran erinnerte, würde er den Tag achtlos verstreichen lassen. Wahrscheinlich dachte er eher an den darauffolgenden Tag, denn dann waren es genau zwei Jahre her, seit er in Falmouth mit Belinda getraut worden war. Zwei schwere Jahre waren das gewesen, größtenteils auf See verbracht, wie bei den Bolithos üblich. Nun gab es die kleine Elizabeth, aber es fehlte der Ehe trotzdem an etwas.

Der Flaggleutnant trat zu ihm.»Der Sekretär stellt gerade die Depeschen fertig, die Sie mitnehmen sollen. Es dauert nicht mehr lange.»

«Danke.»

«In der Zwischenzeit würde Lord Nelson Sie gern empfangen. Bitte folgen Sie mir.»

Als Adam nach achtern ging, schwirrte ihm der Kopf. Er war dreiundzwanzig Jahre alt und hatte geglaubt, mit Firefly alles erreicht zu haben.

Eine Stimme verkündete:»Commander Adam Bolitho, Mylord.»

Aber in Wirklichkeit war Firefly erst der Anfang gewesen.

V Nacht am Mittag

Bolitho schritt mit gelöstem Halstuch und bis zur Taille offenem Hemd langsam über die schöne Heckgalerie der Argonaute. Es mochte zwar Oktober sein, aber der Tag war heiß; kaum mehr als eine leichte Brise füllte die Segel.

Er mochte die Heckgalerie, einen Luxus, den er auf einem englischen Schiff nie genossen hätte. Hier auf diesem schmalen Umgang war er ganz allein, kein Auge beobachtete ihn, prüfte ihn auf Zuversicht oder Schwäche. Selbst die Geräusche waren hier gedämpfter, übertönt vom Rauschen des Wassers unter der Gillung und dem Knarren des Ruders, wenn die Steuerleute den Zweidecker auf Kurs hielten.

Ein Geräusch drang jedoch durch: der regelmäßige Trommelwirbel, die qualvolle Pause, das Klatschen der Peitsche auf dem nackten Rücken eines Mannes.

Nur eine Eintragung mehr im Strafbuch und kaum einen Kommentar von der Besatzung wert. Disziplin war Disziplin und hier oben in mancher Hinsicht weniger streng als im Zwischendeck, wenn jemand beim Kameradendiebstahl ertappt worden war.

Bolitho dachte an Zenoria und fragte sich, weshalb er Adam nichts von ihr erzählt hatte, als Firefly gerade lange genug zum Geschwader gestoßen war, um Depeschen zu übergeben und Briefe in die Heimat mitzunehmen. Denn Firefly, Nelsons Bindeglied zur fernen Admiralität, kehrte zurück nach England.

Adam hatte wehmütig gesagt:»Dabei bin ich gerade erst angekommen, Onkel. «Seine Miene hatte sich aufgehellt, als er von Bolitho einen Brief an Belinda bekam.»Aber mit etwas Glück bin ich bald wieder da.»

Bolitho ging zum Ende der Heckgalerie und stützte sich auf die vergoldete Schulter einer lebensgroßen Meerjungfrau, die auf der anderen Seite ihr Gegenstück hatte. Er lächelte. Diese Figur war in jenem mörderischen Gefecht um Argonaute von einer Kugel enthauptet worden. Der alte Holzschnitzer aus Plymouth, der den neuen Kopf geschaffen hatte, mußte einen besonderen Sinn für Humor gehabt haben, denn nun lächelte die Meerjungfrau spöttisch, als ergötze sie sich an einem Geheimnis.

Er hatte Adam nach seinem Eindruck von Nelson gefragt und gesehen, wie sich der junge Mann seine Antwort zurechtlegte.»Er war ganz anders, als ich erwartet hatte. Er wirkte rastlos, und sein Arm schien ihm Schmerzen zu bereiten. Doch obwohl ich größer bin als er, schien er die Kajüte auszufüllen. Und seine Verachtung für Autorität ist erstaunlich. Als Admiral Sheaffe erwähnt wurde, lachte Nelson nur und meinte, Sheaffes Ozeane bestünden aus Papier und Schlachtplänen. Er habe vergessen, daß Männer braucht, wer Kriege gewinnen will.»

«Du fandest ihn trotz dieser Offenheit vor einem Untergebenen sympathisch?»

Adam war ein wenig unsicher geworden.»Ich weiß nicht recht, Onkel. Erst fand ich ihn eitel, fast oberflächlich, und dann wieder beeindruckte mich sein totaler Überblick über den Krieg hier draußen. «Adam hatte schüchtern gegrinst.»Ich weiß nur, daß ich ihm in die Hölle und zurück folgen würde, wenn er das verlangte. Aber warum, kann ich nicht sagen. Ich weiß es eben.»

Das hatten auch viele andere gesagt. Nelson, bei seinen Vorgesetzten verhaßt, wurde von den Männern, die er führte und die ihn meist nie zu Gesicht bekamen, abgöttisch verehrt.

«Er hat sich nach dir erkundigt, Onkel, und dir alles Gute gewünscht«, hatte Adam gesagt.

Und nun jagte die Firefly nach Gibraltar und von dort aus weiter nach England. Ohne Mühe konnte sich Bolitho Ports-mouth vorstellen: kalt und regnerisch, aber so wichtig in seinem Leben.

Er begann wieder auf- und abzugehen. Nelson hatte ihm zu verstehen gegeben, wo sich eine passende Wasserstelle für seine Schiffe befand: auf Sardinien und den kleinen Inseln am Osteingang der gefährlichen Straße von Bonifacio. Die Maddalena-Inseln, wie man sie nannte, lagen keine zweihundert Meilen von Toulon entfernt. Typisch für Nelson, daß er so etwas wußte und Leuten wie Sheaffe eine Nase drehen konnte — bis ihn das Glück verließ.

Pfeifen zwitscherten. Bolitho wußte, daß die Mannschaft nun abtrat, daß die Gräting entfernt und abgewaschen wurde. Der Gerechtigkeit war Genüge getan.

Dem Geschwader war ein zweihundert Meilen breiter Sektor westlich von Toulon bis zur spanischen Grenze zuge — wiesen worden. Wenn die Franzosen in voller Stärke ausbrachen, war es gut möglich, daß sie erneut versuchten, nach

Ägypten und zum Nil vorzustoßen. Schon beim letzten Mal war ihnen das fast gelungen. Wenn sie bei einem erneuten Versuch Erfolg hatten, konnte Bonaparte Indien angreifen, denn dort winkte reiche Beute, von dem taktischen Vorteil ganz zu schweigen. Doch Bolitho hielt es für ebenso wahrscheinlich, daß die französische Flotte auf die Straße von Gibraltar zusteuern würde, um sich den Weg in die Biskaya zu erzwingen und die Stärke der französischen Geschwader dort zu verdoppeln.

Wenn er Nelson richtig verstanden hatte, würde dieser den Löwenanteil des Kampfes für sich selbst beanspruchen.

Die See wirkte leer, da die Hälfte seiner Schiffe fehlte. Inchs Dispatch hatte er zusammen mit Lapishs Fregatte als Aufklärer und Vermittler losgeschickt. Icarus, deren Segel sich in der schwachen Brise kaum füllten, folgte achteraus. Ihre Stückpforten standen offen, denn Kapitän Houston ließ seine Mannschaften an den Geschützen üben. Der Kutter sah weit in Luv wie die helle Rückenflosse eines Hais aus, und Rapid, die ihre großen Schwestern führte wie Tiere an der Leine, war nur vom Masttopp aus sichtbar.

Weit an Steuerbord färbte sich der Horizont dunkellila: Korsika. Bolitho stützte sich auf die Reling und starrte aufs Wasser, das müde am Ruder ablief. Bei diesem schwachen Wind würde es länger als erwartet dauern, bis sie einen Ankerplatz gefunden und Trinkwasser an Bord genommen hatten. Aber die Nähe des Landes mußte bei Matrosen und Seesoldaten Wunder wirken.

Eine Tür zur Galerie ging auf, und Allday sagte:»Empfehlung von Käpt'n Keen, Sir: Rapid hat im Osten ein Segel gesichtet. Der Ausguck kann es gerade noch ausmachen.»