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Sie lachten wie Irre und klopften ihm auf die Schulter, als er über die Schutznetze auf den glatten Bugspriet hinauskroch. Musketenschüsse umjaulten ihn, aber die Sache war es wert. Und wenn auch nur deswegen, weil er Okes endlich gesagt hatte, was er wegen seiner Feigheit von ihm hielt.

Okes stierte zum Achterdeck. Er stöhnte auf, als ein Matrose an ihm vorbeikroch, dem ein großer Holzsplitter den Leib halb aufgerissen hatte. Bolitho stand noch immer an der Querreling, das Sprachrohr in der einen, den Degen in der anderen Hand.

Die Kapitänsuniform leuchtete in dem schwachen Sonnenlicht, und Okes bemerkte Einschläge im Schanzkleid. Verborgene Scharfschützen versuchten, den Kapitän der Phalarope zu treffen.»Ich hoffe, Sie gehen drauf!«heulte Okes.»Ich hoffe, ihr geht alle drauf!»

Schluchzend griff er nach seinem Säbel. Doch so wenig jemand die wüsten Worte beachtete, so wenig beachtete man seine Gegenwart auf der blutbespritzten Back. Er dachte an Farquhars beißende Worte und die Verachtung in seinen Augen.

«Niemals!«Er schob sich auf den Bugspriet hinaus, wo einige Männer schon mit dem Feind die Klingen kreuzten.»Ich werde es euch zeigen!«Ohne auf die Flüche und Schreie zu achten, zog er sich an einem Matrosen vorbei und hieb mit dem Säbel nach einem französischen Unteroffizier. Der Mann stierte kurz auf seine klaffende Wunde, ehe er zwischen die dicht aneinandergedrängten Schiffsrümpfe stürzte. Weiter vor! Okes stieß Farquhar beiseite, um sich auf den Feind zu stürzen.

Farquhar sah den Irrsinn in Okes Augen und versuchte, ihn zurückzuhalten. Aber es war zwecklos, denn die britischen Matrosen, durch die scheinbare Tapferkeit ihrer Offiziere mitgerissen, schwärmten zum Schanzkleid der Ondine hinüber.

Okes zischte:»Sie haben wohl Angst, Mr. Farquhar? «Er warf den Kopf zurück und lachte gellend.»Das dürfte Ihrem Onkel aber nicht gefallen!»

Farquhar parierte einen Lanzenstich und folgte Okes hinüber auf das große Deck der Ondine. Jetzt galt es einen Kampf, in dem jeder auf sich gestellt war.

Bolitho beobachtete durch den Pulverqualm, daß seine Leute von der Verteidigung zum Angriff übergingen. Ganz gleich, wer beschlossen hatte, die Ondine zu entern, er hatte die richtige Entscheidung getroffen, dachte er grimmig. Er hörte, wie sich hinter ihm die Äxte in das Gewirr der Masttrümmer bissen, und wußte, daß es der Phalarope unmöglich war, sich aus der Verklammerung zu lösen, bevor die schweren Geschütze der Ondine wieder in den Kampf eingreifen konnten.

Er ging über das Achterdeck zu Rennie.»Wir müssen sie auch von achtern entern. «Und als Rennie nickte, setzte er hinzu:»Suchen Sie sofort ein paar Männer zusammen. «Dann hörte er jemanden schluchzen und sah, daß Neale an der Leereling kniete. Fähnrich Maynard lag auf dem Rücken, ein

Arm, in die Signalleine verwickelt, zeigte nach oben. Seine Augen waren weit geöffnet, blicklos und merkwürdig friedlich. Neale hielt Maynards Hand und achtete weder auf die Abschüsse der Kanonen noch auf die Musketenkugeln, denen sein Freund schon zum Opfer gefallen war.

Bolitho zog Neale hoch. Der Junge schien dicht vor dem Zusammenbruch. Mit einem wilden Aufschrei barg er das Gesicht am Rock des Kapitäns. Er zitterte am ganzen Körper vor Kummer. Bolitho schob ihn ein Stück zurück und hob sein Kinn leicht mit dem Degengriff. Er sah ihn eine Sekunde lang fest an und sagte dann eindringlich:»Nehmen Sie sich zusammen, Mr. Neale. «Er sah den leeren Blick in Neales Augen und verdrängte die Tatsache, daß er mit einem angstgeschüttelten Dreizehnjährigen sprach, der eben seinen besten Freund verloren hatte.»Sie sind Offizier des Königs, Neale. «Und weicher:»Denken Sie daran, was ich vorhin gesagt habe. Unsere Leute beobachten Sie heute. Glauben Sie, daß Sie mir jetzt helfen können?»

Neale wischte sich die Augen mit dem Ärmel und sah zu dem am Schanzkleid liegenden Maynard hinab, dessen Arm ruckte, als der Wind an der Falleine rüttelte. Danach blickte er Bolitho an und stammelte:»Ja, Sir.»

Bolitho sah ihm nach, als er zu den schreienden Kanonieren zurückging: klein und kaum zu erkennen in Rauch und Flammen dieser furchtbaren Schlacht.

Rennie tauchte wieder auf. Über dem Auge klaffte eine Wunde.»Alles klar, Sir. «Er schwang seinen Degen.»Soll ich jetzt mit den Leuten entern?»

Bolitho blickte über das zerschlagene Achterdeck. Scheint mehr Tote als Lebende zu geben, dachte er müde. Er taumelte, denn eine Kugel krachte in den Niedergang des Achterdecks und riß die Planken auf wie ein Pflug. Er sah ungläubig, wie Proby die Hand ans Gesicht hob und mit den Fingern einen Blutstrom zu stillen versuchte. Der Steuermann torkelte gegen das Rad. Als Strachan hinzusprang, um ihn zu stützen, schlug er wimmernd hin. Seine Hände hämmerten auf die Planken. Bolitho sah, daß ihm ein Schuß das Gesicht weggerissen hatte.

«Wir müssen die Ondine nehmen«, stieß Bolitho hervor.»Wenn die Franzosen sehen, daß ihr Flaggschiff die Flagge streicht, werden sie. . «Er verstummte und blickte wieder auf

Probys Leichnam hinab. Ich habe sie alle hineingerissen, dachte er, und sein Schmerz schlug in hilflose Wut um. Dafür habe ich das Schiff und jeden Mann an Bord geopfert.

Rennie sah ihn ruhig an.»Es war die richtige Entscheidung, Sir. «Er rückte seinen Hut gerade und sagte zu seinem Sergeanten:»Na, Garwood, wie wär's mit einem kleinen Spaziergang?»

Bolitho starrte ihn an. Es war, als hätte Rennie seine Gedanken gelesen. Er sagte:»Die Cassius wird uns Schützenhilfe geben. «Er musterte die Seesoldaten, die sich jenseits von Furcht oder Angst wie wilde Tiere zum Sprung geduckt hatten.»Sie oder wir, Jungs, so steht es.»

Als die Männer mit einem Hurra antworteten, sprang er auf den umgestürzten Mast der Ondine und begann hinüber-zukriechen.

Einmal sah er ins Wasser hinunter, auf dem Holzteile und Leichen trieben, sowohl französische wie britische.

Unter äußerster Anstrengung erreichte er das Heck der Ondine. Kugeln pfiffen an ihm vorüber. Hinter sich hörte er Schreie. Einige seiner Leute stürzten hinab zu den treibenden Toten. Bolitho hackte die Reste der französischen Enternetze weg und sprang auf das Deck hinüber. Überall lagen Tote und Sterbende. Sein Blick flog zur anderen Schiffsseite und erstarrte. Die Cassius lag nicht mehr längsseits, sondern trieb ab, in den Rauch ihrer eigenen Wunden gehüllt: ein entmasteter Rumpf, bis zur Unkenntlichkeit zerschlagen. Aus jedem Speigatt flossen Ströme von Blut die Bordwand hinab und färbten das Wasser rot. Es sah aus, als verblute das Schiff. Doch vom Stumpf des Besan wehte, wenn auch durchlöchert und zerfetzt, noch immer trotzig die Flagge, und während Rennies Seesoldaten brüllend über das Heck der Ondine ausschwärmten, ertönten auf dem Deck der Cassius Hurrarufe. Nicht sehr laut, denn allzuviele konnten nicht mehr mit einstimmen, Aber auf Bolitho wirkten die Rufe anspornend.

Er stürmte über das Deck und hieb, durch die Hurrarufe und die kampfwütigen Männer in seinem Rücken angetrieben, fast auf einen Streich zwei Matrosen nieder. Er sah seine erste Entermannschaft auf dem Vorschiff der Ondine, die in der Überzahl befindlichen Verteidiger hatten die britischen Enterer eingekreist und drängten sie trotz aller Gegenwehr an die Reling zurück.»Haltet stand, Männer der Phalarope!«brüllte Bolitho. Er sah, daß der Druck der Franzosen nachließ, weil sie sich umwandten, um der neuen Bedrohung zu begegnen.»Hierher, Jungs! Schlagt euch durch!»

Von der Fregatte quollen weitere Leute herüber. Im Rauch erkannte Bolitho Leutnant Herrick, der seinen Männern den Weg wies. Er drehte sich wieder um. Vorn hackte sich Okes einen Weg durch die Feinde. Sein Säbel triefte vor Blut, als er einen gellend aufschreienden Fähnrich niedermachte und auf einen Matrosen eindrang, der eine Drehbasse neben dem Achterdeck nachladen wollte. Okes blutete aus vielen Wunden. Gerade als er die Leiter erreichte, bellte die Drehbasse dumpf auf. Die geballte Kartätschenladung riß Okes wie eine Stoffpuppe hoch und schleuderte ihn leblos zwischen die Kämpfenden unterhalb der Leiter. Der Kanonier fiel eine Sekunde später, niedergestreckt durch ein Entermesser.