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Quinn erwiderte heiser:»Ein Mann kam aus dem Wachturm. Wir waren alle so damit beschäftigt, die Tore zu suchen oder nach Wachtposten Ausschau zu halten, daß ihn niemand bemerkte. Er schien aus dem Nichts zu kommen. «Unglücklich fuhr er fort:»Ich war ihm am nächsten und hätte ihn leicht niederstechen können. «Er schauderte.»Es war ein halbnackter Junge mit einem Eimer, wahrscheinlich sollte er Wasser holen für die Kombüse. Er war unbewaffnet.»

«Was dann?»

«Wir starrten uns an, ich bin mir nicht sicher, wer von uns beiden mehr überrascht war. Ich hatte die Klinge schon an seinem Hals, ein Streich hätte genügt, aber ich konnte nicht. «Quinn blickte Bolitho verzweifelt an.»Er begriff es. So standen wir, bis…»

«Rowhurst kam?»

«Ja, mit seinem Dolch. Aber für mich war es zu spät.»

Bolitho nickte. Er erinnerte sich an seine eigenen Gefühle, als er sich über den Mann beugte, den er erschossen hatte, um sich selbst zu retten.

Quinn fuhr fort:»Ich sah den Ausdruck in Rowhursts Augen, er verachtet mich. Es wird durch das Schiff gehen wie ein Lauffeuer, und ich werde ihren Respekt für immer verlieren.»

Bolitho fuhr sich durchs Haar.»Du mußt versuchen, ihn dir von neuem zu erwerben, James. «Er fühlte Sand zwischen seinen Fingern und sehnte sich nach einem Bad.»Aber jetzt haben wir genug anderes zu tun. «Er sah Stockdale und ein paar Seeleute ihn beobachten.»Geh mit diesen Leuten zum Floß, schleppt es in tiefes Wasser und zerstört es. «Er ergriff Quinns Arm und fügte hinzu:»Denk daran, James: Sag ihnen, was sie tun sollen.»

Quinn wandte sich ab und ging niedergeschlagen zu den wartenden Seeleuten. So lange Stockdale dabei war, würde alles in Ordnung gehen, dachte Bolitho.

Ein Unteroffizier tippte sich grüßend an die Stirn und meldete:»Wir haben das Hauptmagazin geleert, Sir.»

Bolitho nahm seine Gedanken zusammen, da Verstand und Körper ihm noch nicht ganz gehorchen wollten. Aber er mußte. Er war jetzt tatsächlich der Dienstälteste, genau wie Probyn gesagt hatte.

«Gut, ich sehe mir an, was ihr gefunden habt«, sagte er.

Die Geschütze mußten unbrauchbar gemacht, die Vorräte in Brand gesteckt werden, bevor das Fort selbst mit seinem eigenen Pulvermagazin in die Luft gesprengt wurde. Er blickte in die leeren Ställe und war froh, daß keine Pferde zurückgelassen worden waren. Der Gedanke, sie schlachten zu müssen, um sie nicht in Feindeshand fallen zu lassen, war schlimm genug; noch schlimmer war es, sich vorzustellen, welche Wirkung ein solches Gemetzel auf die kampfesmüden Seeleute gehabt hätte. Tod, Verwundung oder auch Auspeitschen nahm der Durchschnittsseemann als sein natürliches Los hin, aber Bolitho hatte einmal gesehen, wie ein Bootsmannsmaat in Plymouth einem Mann den Schädel einschlug, nur weil dieser nach einem streunenden Hund getreten hatte.

Marineinfanteristen bastelten überall herum und fühlten sich ganz in ihrem Element, als sie lange Zündschnüre verlegten und diese mit den Pulverfässern verbanden, während andere die kleineren Feldgeschütze zu den Toren schafften.

Das Floß war mittlerweile in tiefes Wasser geschleppt worden; von der Mauer aus sah Bolitho, daß die Seeleute es mit ihren Äxten zerschlugen und die Taue losmachten. Quinn stand dabei und beobachtete sie. Das nächste Mal, wenn sie kämpfen mußten, würde er nicht so glimpflich davonkommen, dachte Bolitho traurig.

Auf dem Wachturm stand Couzens, ein Teleskop auf den Ankerplatz gerichtet. Als Bolitho sich umwandte, sah er, daß auf dem

Logger Segel gesetzt wurden, während die Anker tropfend vor den Klüsen hingen.

Derselbe Wind, der das Einlaufen der Spite verzögerte, ließ Pro-byn und seine kleine Schar noch vor Dunkelheit die offene See gewinnen. Mitleid ist niemals eine gute Basis für eine Freundschaft, dachte Bolitho, aber ihr Abschied war derart unerfreulich gewesen, daß er für immer zwischen ihnen stehen würde, falls sie sich je wieder begegneten.

«Ach, da sind Sie, Bolitho!«Paget blickte aus einem Fenster.»Kommen Sie herauf, dann kann ich Ihnen gleich Ihre Instruktionen geben.»

Im Kommandeurszimmer spürte Bolitho wieder seine Müdigkeit, die Nachwirkung von Kampf, Vernichtung und Angst.

Paget informierte ihn:»Als weiteres Mosaiksteinchen für unseren Nachrichtendienst wissen wir jetzt, woher der Feind sein Pulver und einen Teil seiner Bewaffnung bekommt. Alles andere ist Sache des Admirals.»

Es klopfte an die Tür, und Bolitho hörte draußen jemanden eindringlich flüstern.

«Warten Sie!«sagte Paget ruhig.»Ich hatte keine andere Wahl mit dem Logger. Von Rechts wegen hätte er Ihnen zugestanden wegen der Art und Weise, wie Sie das Fort für uns sturmreif gemacht haben. «Er hob die Schultern.»Aber der Marine Wege sind nicht die me inen, und somit…»

«Ich verstehe, Sir.»

«Gut. «Paget schritt mit bemerkenswerter Geschwindigkeit

durch den Raum und öffnete die Tür.»Ja?»

Es war Leutnant Fitzherbert von den Marineinfanteristen des Flaggschiffs. Er stammelte:»Wir haben den Feind gesichtet, Sir! Er kommt die Küste herauf!»

Zusammen traten sie in das blendende Sonnenlicht, und Paget ließ sich in aller Ruhe von einem Ausguckposten ein Fernrohr geben. Nach einer vollen Minute reichte er es Bolitho.

«Das ist ein Anblick! Ich glaube, Ihr Mr. Probyn wird bedauern, daß er ihm entging.»

Bolitho vergaß sofort seine Enttäuschung und des Majors Sar-kasmus, als er das Glas auf die Küste richtete. Es schien ein endloser Zug zu sein, der da dem Strand folgte und fast bis zurück nach

Charlstown reichte: ein Band aus Blau und Weiß, hin und wieder unterbrochen vom Braun der Pferde und glänzenden schwarzen Flecken, die nur Artillerie sein konnten.

Paget verschränkte die Arme und schaukelte auf den Hacken vor und zurück.»Hier kommen sie also. Damit ist jedes Täuschungsmanöver überflüssig, denke ich. «Er blickte zur Spitze des Flaggenmastes auf, seine Augen waren rotgerändert vor Anstrengung.»Heiß die Flagge, Sergeant! Wir wollen sie ein bißchen ärgern.»

Bolitho senkte das Glas. Quinn war noch unten bei dem erst zum Teil zerstörten Floß und sah die drohende Marschkolonne auf der Küstenstraße nicht. Probyn draußen schien zu sehr damit beschäftigt, von der Sandspitze freizukommen, um etwas zu bemerken. Vermutlich hätte es ihn auch nicht mehr interessiert.

Er suchte den Horizont ab, seine Augen schmerzten in der gleißenden Helligkeit. Nichts unterbrach die scharfe, blaue Linie, was auf die Anwesenheit eines Segels hingedeutet hätte. Bolitho dachte an den gefangenen französischen Offizier. Wenn er Glück hatte, würde seine Gefangenschaft eine der kürzesten sein, die es je gegeben hatte.

Paget knurrte:»Bewegen Sie sich, Sir! Hauptbatterie auf den Damm richten! Sie haben doch einen guten Läufer unter Ihren Leuten, nehme ich an? Ich möchte jedes der Geschütze voll geladen wissen. An die Arbeit, verdammt!»

Bolitho wandte sich zum Gehen, hörte Paget aber noch wie im Selbstgespräch hinzufügen:»Es interessiert mich nicht, was sie uns anbieten oder versprechen. Wir kamen, um dieses Fort zu zerstören, und das werden wir tun, so wahr mir Gott helfe!»

Als Bolitho den Hof erreicht hatte, blickte er noch einmal zum Turm hinauf. Paget stand barhäuptig in der Sonne und starrte den soeben gehißten Union Jack an, den die Marineinfanteristen mitgebracht hatten.

Dann hörte er einen Seemann zu seinem Kameraden sagen:»Mr. Bolitho sieht nicht sonderlich beunruhigt aus, Bill. Dann kann es nicht so schlimm sein.»

Bolitho sah die beiden an, als er vorbeiging, und sein Herz war zugleich schwer und froh. Sie fragten nicht, warum sie hier waren. Gehorsam, Vertrauen und Hoffnung gehörten genauso zu diesen Leuten wie ihr Fluchen und Raufen.

Er traf Rowhurst am Tor.»Sie haben es zweifellos gehört?»

Rowhurst grinste.»Gesehen auch, Sir. Eine ganze verdammte Armee auf dem Marsch! Und das nur für uns!»

Bolitho lächelte knapp.»Wir haben genügend Zeit, alles zu ihrem Empfang vorzubereiten.»