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Poland wandte sich an seinen Ersten:»Stellen Sie genügend Männer ans Ankerspill. Wir segeln, sobald die Tide kentert. «Und an Bolitho gewandt:»Wenn Sie mir bitte folgen würden, Sir Richard? Ein Gast wird mit uns reisen.»

Während die Fregatte in der Dunkelheit zum Leben erwachte, betrat Bolitho die Achterkajüte, die er in langen einsamen Wochen so gut kennengelernt hatte. Als erstes entdeckte er eine gelockte Perücke auf einem Ständer, dann sah er einen Mann auf sich zukommen, der sich offensichtlich noch nicht an die Bewegungen des Schiffs gewöhnt hatte.

Er sah älter aus, gebeugter. Oder lag das nur an den schwankenden Laternen? Sein schütteres Haar war zu einem altmodischen, dünnen Zopf geflochten. Der Mann war bestimmt sechzig, wenn nicht älter. Er legte den Kopf schräg und beäugte Bolitho wie ein neugieriger Vogel.»Es ist Jahre her, seit wir uns das letzte Mal sahen, Sir Richard.»

Bolitho ergriff die ausgestreckte Rechte mit beiden Händen.»Charles Inskip! Wie könnte ich das jemals vergessen. Sie berieten mich damals, als ich in diplomatischem Auftrag unterwegs war — ebenfalls nach Kopenhagen.»

Sie betrachteten einander lächelnd.»Der König hat geruht, meine Dienste ebenso zu honorieren wie die Ihren, Sir Richard. Ich bin jetzt Sir Charles Inskip — dank seiner Güte!«Sie lachten beide.

«Ja, diese Zeremonie kostet Nerven!«Ob Seine Majestät in dem Augenblick, als er Inskip geadelt hatte, seinen Namen genauso vergessen hatte wie zuvor den Bolithos?

Kopenhagen… Bolitho war damals hingeschickt worden, um mit den Dänen zu verhandeln. Napoleon hatte verlangt, daß die gesamte dänische Flotte den französischen Admirälen übergeben wurde. Man konnte sich nicht einigen, und so kam es zur Schlacht von Kopenhagen. Dabei hatte Nelson den Befehl seines Oberkommandierenden mißachtet und den Angriff allein vorgetragen.

Rufe ertönten von oben und dann das Knattern von Leinwand, die endlich befreit wurde. Er spürte, wie die Truculent sich überlegte und Fahrt aufnahm.

Inskip beobachtete ihn.»Sie wären wohl selber gerne oben und würden das Schiff führen?«Bolitho nickte und setzte sich. Ein Diener trat ein, ein Tablett mit Gläsern und Weinkaraffe balancierend.

Inskip seufzte.»Wir kehren an den Ort unserer Taten zurück, Sir Richard. «Er schlug auf seine Rocktaschen.»Hier trage ich eine Zusage, in der anderen eine Drohung. Ich werde Ihnen sagen, um was es diesmal geht. «Er unterbrach sich, als die Fregatte sich stark überlegte.»Oh — ich war wohl zu lange an Land. Mein Magen läßt mich wieder im Stich.»

Auch der Diener, offensichtlich mit Inskip aus London gekommen, hatte seine Schwierigkeiten. Mit unbewegtem Gesicht bemühte er sich, den Wein ohne Pannen einzuschenken.

Bolitho tastete in seiner Tasche nach dem Fächer, den Catherine ihm als Souvenir mitgegeben hatte.»Ich höre Ihnen gerne zu, Sir Charles, aber welche Rolle ich dabei spielen soll, ist mir noch schleierhaft.»

Inskip hob das Glas gegen das Licht. Er war ein erfahrener

Regierungsvertreter für skandinavische Angelegenheiten, doch in diesem Augenblick sah er aus wie ein Dorfschulmeister.

«Sie kennen ja die Dänen«, begann er.»Es gibt vernünftige Männer in Kopenhagen, aber leider auch viele, die einen Kompromiß mit Napoleon befürworten. Doch das wäre nur ein anderes Wort für Unterwerfung, denn Napoleons Armee steht an den Grenzen Dänemarks.»

Bolitho sah auf das Gold an seinem Ärmel nieder. Also wieder einmal eine undankbare Aufgabe.

Im ersten Morgengrauen stand der Vizeadmiral auf der Luvseite des Achterdecks und sah sich um. Die nachlaufenden Seen ließen das Schiff unruhig gieren, und immer wieder schlug Spritzwasser an Deck. Kapitän Poland kam in triefendem Ölmantel über die glatten Planken heran.

«Wir werden bei Tagesanbruch im Kleinen Belt stehen, Sir Richard«, rief er. Seine roten Augen verrieten Mangel an Schlaf. Für ihn war es eine harte Reise gewesen. Kein weiter Ozean unter freundlich blauem Himmel mit stetigem Passatwind, kein Tafelberg als weithin sichtbare Landmarke. Truculent war durch den engen Kanal geprescht und hatte dann mit Nordostkurs die Nordsee überquert, auf Dänemark zu. Unterwegs waren ihnen nur ein englischer Schoner und eine englische Fregatte begegnet. Erkennungssignale wurden ausgetauscht, dann hatten Regenböen die Schiffe verschluckt. Sie mußten sehr sorgfältig navigieren, vor allem als sie ins Skagerrak liefen und dann nach Süden abdrehten. Es war bitterkalt, Bolitho schauderte unter seinem Bootsmantel.»Eine schwierige Passage, Kapitän«, sagte er. Polands rotgeränderte Augen musterten ihn fragend, suchten vergeblich nach verborgener Kritik.»Ich gehe unter Deck. Rufen Sie mich, wenn Sie etwas Wichtiges sichten.»

Catherine würde sich grämen, denn die Reise dauerte doch länger. Eine ganze Woche hatten sie allein bis hierher gebraucht.

Unter Deck war es sehr ruhig nach dem heulenden Wind und dem Gurgeln der Seen. Am Posten vorbei betrat Bolitho seine Kajüte. Auch sie war feucht und kühl, und die Heckbank unter den Fenstern glänzte naß, als stünde sie oben an Deck.

Sir Charles Inskip saß am Tisch unter der schwankenden Lampe und las Papiere, die ihm sein Diener reichte. Er sah auf, als Bolitho sich dazusetzte.»Kommt dieses Schiff denn nie zur Ruhe?»

Bolitho reckte die Arme, um sich zu entspannen.»Schauen Sie mal auf die Karte«, riet er Inskip.»Da, wo ich gestern ein Kreuz machte, stehen wir jetzt. Bald werden wir Helsingör sehen.»

«Dort erwartet uns ein dänisches Begleitschiff. «Inskip schien nicht sehr glücklich darüber.»Danach sind wir ganz in ihren Händen. Hoffentlich nicht allzu lange!»

Sie sahen alle auf, als draußen ein Schrei ertönte, den der Wind davontrug.»Was war das?«fragte Inskip.»Land in Sicht«, lächelte Bolitho. Inskip bat seinen Diener, ihm den schweren Mantel zu holen.»Ich gehe nach oben.»

Allday legte ein Handtuch um Bolithos Hals. Poland würde sich erst melden, wenn es wirklich Helsingör war. Während Allday ihn rasierte, schloß Bolitho die Augen. Wie der erste Becher Kaffee am Morgen, so war ihm auch die Rasur ein Anlaß, sich zu sammeln und nachzudenken. Allday hob die Klinge und wartete, daß die Schiffsbewegungen ruhiger wurden. Er hatte sich immer noch nicht an Bolithos kurzen Haarschnitt gewöhnt. Aber er hatte den abgeschnittenen Zopf gerettet, ungesehen in einem Tabaksbeutel nach Hause gebracht und ihn Lady Catherine überreicht. Ihre Augen hatten vor Freude und Überraschung geblitzt.

Als Allday nach getaner Arbeit sein Messer zusammenklappte, trat Poland ein.»Wir haben Helsingör voraus, Sir Richard. «Eine Pfütze bildete sich um seine Füße, er wartete.

«Sehr gut. Ich komme gleich. «Poland verschwand, und Bolitho ließ sich in seinen schweren Mantel helfen. Wieder schlug ein Schwall Wasser übers Skylight. Die Tür ging auf, Inskip und sein Sekretär kamen von Deck zurück. Sie öffneten ihre Seekisten und riefen nach dem Diener. Für die erste Begegnung mit den Dänen wollten sie die passende Kleidung tragen.

Inskip sagte atemlos:»Wir haben ein Schiff gesichtet. Gewiß unseren dänischen Begleiter. «Bolitho hörte das Poltern der Lafetten, Poland ließ also die Laschings der Kanonen lösen und sie für alle Fälle laden. Typisch für ihn — er ging kein Risiko ein.

«Dann wollen wir mal«, sagte Bolitho. Allday zupfte ihm ein Fädchen vom Rock und schritt prüfend um seinen Admiral. Die breiten goldenen Litzen, die Medaille für die Teilnahme an der Schlacht von Abukir, der alte Degen — Bolitho sah aus wie einer seiner Vorfahren auf den Porträts im alten Herrenhaus.

«Dann wollen wir mal sehen«, meinte er,»was da auf uns zukommt.»